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So arbeiten KlimafolgenforscherKlima mit Köpfchen

Sie behaupten, ihr Forschungsgegenstand könne das System Erde verändern – dabei arbeiten die wichtigsten Klimaforscher Deutschlands fast nur theoretisch.

Werbeaktion des Verkehrsministeriums: Energiesparen in Wohnhäusern – auch das ist auf Ergebnisse von Klimaforschern zurückzuführen. Bild: dpa

Es gibt Klimaforscher, die beobachten, zu welcher Jahreszeit Pflanzen blühen oder wie schnell das Eis der Arktis schmilzt. Und es gibt Klimaforscher, die benutzen nur ihren Kopf – und einen Computer. Damit haben sie jedoch meistens den größeren Einfluss auf Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft, so wie die Forscher am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), dessen Direktor Hans-Joachim Schellnhuber der oberste Klimaberater der Bundesregierung ist.

Auf dem Telegraphenberg in Potsdam sitzen die Mitarbeiter des PIK ein wenig abgeschieden und entwickeln Modelle, mit denen sich beispielsweise ausrechnen lässt, wie teuer Maßnahmen gegen den Klimawandel volkswirtschaftlich werden. Solche Modelle bestehen aus tausenden von Gleichungen und hunderten von Variablen. Im Prinzip sind Modelle Computerprogramme, die wie ein Taschenrechner mit Daten gefüttert werden, rechnen und wieder Daten ausspucken – nur viel komplexer. Durch die Gleichungen werden unzählige Parameter abgebildet: die Entwicklung der Wirtschaftsleistung, der Zeitpunkt, ab dem sich neue Technologien rechnen, oder welchen Beitrag Atomenergie zum Klimaschutz leisten kann. Es dauert Jahre, eine brauchbare Modellierung zu entwickeln.

Die meisten Forscher des PIK beschäftigen sich mit der Verbesserung solcher Modelle. Wer gerade nicht direkt an einem Modell arbeitet, sammelt Ergebnisse externer Wissenschaftler, mit denen die Modelle gefüttert werden. Aus Politik und Medien besonders nachgefragt ist derzeit der Forschungsbereich, der sich mit "nachhaltigen Lösungsstrategien" befasst. Zum Beispiel der großflächige Einsatz von Elektroautos: Bisher ist er in den Modellen des PIK nicht vorgesehen. Da sich jetzt jedoch abzeichnet, dass Elektroautos in Zukunft eine Rolle spielen könnten, wäre eine entsprechende Modellierung denkbar.

"Das allein wäre für einen Doktoranden eine Aufgabe für etwa ein Jahr", sagt Brigitte Knopf vom Forschungsbereich. Zunächst müssten die verfügbaren Daten über Elektroautos gesichtet werden. Wie viel kostet ihre Entwicklung? Wie viel Energie brauchen sie? Wie viel Kohlendioxid sparen sie ein? Sobald alle Fragen beantwortet sind, müssen die Ergebnisse in Gleichungen übersetzt und in die Modelle eingebunden werden. "Die Gleichungen zu finden, ist ein intellektuell extrem anspruchsvoller Prozess", sagt Knopf. Am Ende dieses Prozesses könnte Klimaberater Hans-Joachim Schellnhuber der Bundesregierung empfehlen, in welchem Maße sie Elektroautos fördern sollte. Die Modelle des PIK hätten ein paar Schrauben mehr, an denen gedreht werden könnte.

Manche Schrauben lassen sich schnell drehen. Brigitte Knopf ändert eine Zahl in dem Programmcode, der auf ihrem Bildschirm zu sehen ist. "Damit kann ich die Weltregion auswählen, für die ich gerade Berechnungen durchführen lassen möchte", erklärt sie. China, Europa, Nordamerika – nach wenigen Sekunden spuckt das Programm jeweils ein Diagramm mit roten, grünen und gelben Flächen aus. Es zeigt für verschiedene Kohlendioxidkonzentrationen, wie die Zusammensetzung aus Atomenergie, erneuerbaren und fossilen Energieträgern in der gewählten Region aussehen müsste, um den gewünschten Konzentrationswert zu erreichen. "Das ging jetzt schnell, doch gerade am Anfang eines neuen Projekts kann ein Programmdurchlauf mehrere Wochen dauern", sagt Knopf.

Das heißt warten und hoffen, dass die Ergebnisse brauchbar sind. "Gerade habe ich eine Verteilung von Emissionsrechten durchrechnen lassen", erzählt Knopf, "das hat zwei Wochen gedauert." Leider sei sie sich aber noch nicht sicher, ob die Berechnung durch das Programm wirklich notwendig ist. Die Bewertung ist schwierig: "Es kann in diesem Fall möglich sein, dass man mit ein paar Grunddaten aus einem Modell verschiedene Verteilungen selbst ausrechnen könnte." Dann brauchte das Programm nicht so lange zu laufen. In der Regel ist die Berechnung aber derart komplex, dass die Hilfe eines Rechners nötig ist.

Die Maschinen selbst sind nicht immer Freund, sondern manchmal auch Feind. Davon kann die Doktorandin Lavinia Baumstark berichten. Wenn Computer einen Großteil der Arbeit übernehmen, dann wird Rechenzeit ein knappes Gut. "Deswegen teilen wir Berechnungen in kurz, mittel und lang ein. Das entspricht einem Tag, einer Woche und länger als eine Woche", sagt Baumstark. Vor jeder Berechnung muss sie abschätzen, wie lange diese dauern wird. Aber wehe, die Computer brauchen länger als gedacht. "Dann wird die Aufgabe einfach abgebrochen und man muss den Auftrag erneut abschicken", erläutert Baumstark. Das erfährt sie jedoch erst am Ende der angepeilten Laufzeit, also schlimmstenfalls nach einer Woche dann vergebener Berechnungen.

Bei allem abstrakten Zauber der Gleichungen und ihrer rechenintensiven Anwendung gilt am PIK: die Mathematik führt zum Klima und das Klima führt zur Politik. Indem die Forscher Fakten und Ergebnisse sammeln, zusammenführen und interpretieren, gewinnen sie neue Erkenntnisse. In den Zahlen, die nach Wochen auf dem Rechner erscheinen, stecken Handlungsanweisungen für Politiker. Für viele Forscher am PIK ist das die besondere Motivation. "Unsere öffentliche Wirkung ist enorm", sagt Brigitte Knopf. Das bringe Verantwortung mit sich: "Wenn wir der Öffentlichkeit die Bandbreite der möglichen – also auch unerfreulichen – Szenarien bewusst vorenthielten, wäre das fatal." Doch diese Verantwortung ist zugleich ein Antrieb. Wenn am Ende Entscheidungen in der Klimapolitik anhand der Zahlen aus den mühsamen Modellierungen getroffen werden, dann hat sich der Aufwand gelohnt.

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3 Kommentare

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  • AM
    Annelise Müller

    Modelle sind immer genauso gut wie ihre Erschaffer,

    genauso wie Computer immer genauso gut wie ihr Bediener sind.

     

    Also hoffen wir dass die Leute klug sind!

     

    Mfg. A.

  • H
    Holländer

    Klimamodelle sind nicht so wichtig für die Wissenschaft. Die Journalisten finden diese Ergebnisse irgendwie schön und die Wissenschaftler die Modellieren freuen sich über die Aufmerksamkeit. Den zusätzlichen Treibhauseffekt von CO2 kann man aber auch mit einer sehr einfachen Berechnung nachvollziehen. Die komplexe Klimamodelle sind nur dazu da um zu überprüfen ob die regionale Unterschiede der Erde den zusätzlichen Treibhauseffekt irgendwie schwächen oder verstärken. Wissenschaftlich sind die Erforschung und Überprüfung der physikalischen Gesetze an Hand von Messungen viel wichtiger.

    Der vor Karl genannte anthropogene Anteil an den CO2 Emissionen, zum Beispiel, kann man direkt Messen, ganz elegant ohne komplizierte Computermodellen. Die natürliche CO2 hat ein anderes Verhältnis der Kohlenstoff Isotopen als den fossilen Brennstoffen. (Isotopen habe die gleiche chemische Eigenschaften, aber eine leicht andere Masse). Das Isotopen Verhältnis in der Atmosphäre wird immer mehr wie der von fossilen Brennstoffen. An Hand der Größe der Änderung in dem letzen Jahrhundert kann man ausrechnen wie viel neues CO2 aus unserer Energiebenutzung stammt.

  • K
    Karl

    Leider handelt es sich um ein, im Umweltbereich weit verbreitetes, Problem des allgemeinen Unverständnisses.

    Dazu tragen sowohl die Modellierer wie auch die Rezipienten bei.

     

    Die Modellierer handeln Daten auf hohem Niveau, meist ignorieren Sie deren Zustandekommen. Alles wird nach, i.d.R. überprüfbaren Methoden, bearbeitet und dann eine Bandbreite an "Resultaten" vorgestellt.

     

    Ob die Datengrundlage und die Methoden der Realität gerecht werden ist dabei nur von theoretischen Interesse. Denn der wissenschaftlich nur unzureichend Gebildete sieht den Unterschied sowieso nicht, die Mehrheit ist eh zu blöd und erfreut sich an den bunten Grafiken und die veröffentlichte Meinung giert nur nach Extremata.

     

    Kaum einer fragt, ob es eine sinnvolle Methodenvalidierung gibt, etwa aus Korrelationsprüfungen für einzelen Modellparameter mit der messbaren Realität.

     

    Fehlerangaben werden auch kritiklos übernommen, meist nicht einmal angesprochen. Auch formal richtige Modellierungen müssen nicht zwingend eine valide realitätsbezogene Aussage enthalten!

     

    Das ist aber in toto schon aus anderen Sparten im Umweltschutz bekannt. Auch bei der Schadtoffausbreitungmodellierung in Wasser, Boden oder Luft gibt es "Modellierungsgläubige" und Auftraggeber die eine qualifizierte Absolution einfordern, ob das einer gründlichen Prüfung standhält interessiert nicht. Soetwas kommt praktisch nur extrem selten vor.

    Aus messtechnischer Prüfung von solchen Modellresultaten kann ich nach über 15 Jahren feststellen:

    Alle Modelle waren entweder (2/3) völlig ohne Bezug zu den Realbedingungen oder(1/3) mit solchen Fehlergrenzen das die Ratewahrscheinlichkeit unterboten wurde. Und daher sind für die Altlastenbearbeitung allgemeine Modellansätze de facto nicht vorhanden; natürlich wird aus ökonomischen Gründen weitergepfuscht.

     

     

    Die Rezipienten sind für die eigene mentale Beschränktheit auch nicht allein verantwortlich. Viele Variationen eines Rechnmodelles werden inhaltlich garnicht nachvollzogen und die Resultate dann unkritisch für bare Münze genommen.

    Da erfüllt solch theoretische Wissenschaft mehr die Heilserwartung und das Weltbild.

     

    Ein Realitätsbezug ist nicht mehr vorhanden, weder beim Rezipienten noch im Modell, geschweige denn tiefere Einsicht in die Zusammenhänge. Nun sind die Menschen mehrheitlich garnicht fähig die komplexe Problematik zu erkennen, viele wollen das wohl auch nicht. Nur einfache Antworten.

    Nur so ist etwa die, rational betrachtet völlig irre Trennung in "Leugner" und "Befürworter" erklärbar. Klima ist die statitische Betrachtung des Wetters; in wie weit das befürwortet oder geleugnet werden kann ist nicht nachvollziehbar.

     

    Genauowenig ist der anthropogene Anteil an Emissionen fraglich, fraglich sind allerding die Größenordnungen und die tatsächlichen Wechselwirkungen. Eine zufriedenstellende Antwort existiert bisher nicht, bestenfalls mehr oder weniger fragwürdige Hypothesen.

     

    Letztndlich ist die Aussage.

    "die Mathematik führt zum Klima und das Klima führt zur Politik" mit der Konsequenz:

    "Wenn am Ende Entscheidungen in der Klimapolitik anhand der Zahlen aus den mühsamen Modellierungen getroffen werden, dann hat sich der Aufwand gelohnt."

     

    extrem entlarvend. So wird Politk gemacht in dem Rechtfertigungsgründe aus Modellrechnungen produziert werden. Das ist wiederlich aber keine Wissenschaft, es ist Wahnsinn!

     

    Glück auf!

     

    Karl