■ Skandal: Eine Demokratisierung des IOC gibt es nur ohne Samaranch: Oh, oh, Olympia!
Man lupft den Stein und sieht das Gewimmel. Im Falle des ehrenwerten Internationalen Olympischen Komitees offenbart der Fall Salt Lake City ein illustres Gewürm aus Abzockern und Hurenböcken, geldgeil und korrupt bis auf die Knochen.
Man hatte ja so seine Vorahnungen, und doch ist man überrascht, wenn das eigene Bild vom IOC plötzlich so eindrucksvoll bestätigt wird. Natürlich ist es immer so gelaufen. Natürlich haben die anderen Olympiastädte genauso bestochen, geschoben und feminine Begleitungsdienste arrangiert, die den Herren das Doppelkinn kraulten. Die Berliner Olympiabewerber haben sogar Dossiers über die sexuellen, kulinarischen und sonstigen Vorlieben der IOC-Mitglieder angelegt, um den teuersten Kegelclub der Welt mit passenden Aufmerksamkeiten zu verwöhnen.
Der Rechnungshof sprang im Viereck, doch bevor die Details ruchbar wurden, hat der Reißwolf gesprochen und die Akten vernichtet. Olympiavorsteher Nawrocki wurde als Fernbahnchef zur Deutschen Bahn AG entsorgt, wo er weiter fett verdient. Gut, daß wir bestochen haben.
„Rückhaltlose Aufklärung!“ ruft jetzt die olympische Familie aus ihrem stickigen Bunker und droht mit Selbstreinigung und der Entlassung von 12 IOC- Mitgliedern. Nur Häuptling Juan der Schreckliche will weiter präsidieren, „bis zum letzten Tag“. Samaranch ist tatsächlich zuzutrauen, daß er auch diesen Skandal übersteht. Demokratische Hygiene ist diesem Gremium, das seine Mitglieder selbst bestimmt, so fremd wie Augusto Pinochet die Räterepublik.
Also auflösen die ganze Mischpoke, wozu braucht man 14 Exekutivmitglieder, die nichts anderes tun als Suiten mieten, Städte bereisen, hofhalten? Schon ihre Funktion erscheint wie eine Einladung zur Bestechung. Die Abschaffung des IOC – das klingt tatsächlich radikal, nach Stumpf und Stiel und Unkraut-Ex. Nur: Was kommt danach? Wie sollen Olympiastädte künftig gekürt werden? Per TED-Umfrage? Überträgt man die Aufgabe an die Sportverbände, bekommt man dasselbe Problem, weil auch dort dieselben Fürstentümer bestehen, derselbe Phänotyp des greisen Apparatschiks regiert.
Neben einer grundlegenden Reform und demokratischen Kontrolle des IOC wäre vor allem ein neuer Geist notwendig. Dazu muß aber die IOC-Spitze ausgewechselt werden, unter deren Führung die Korruption blühte. Der Fisch stinkt vom Kopf her. Ohne den Rücktritt von Samaranch ist die Selbstreinigung jedenfalls unmöglich. Die Ernsthaftigkeit eines Neubeginns entscheidet sich an der Figur des spanischen Granden. Manfred Kriener
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