: Singer in Düsseldorf
betr.: „Ein Affront gegen Behinderte“, Interview mit Regina Schmidt-Zadel, taz vom 18.12.04
Ich war bei dem Vortrag von Singer anwesend. Vor dem Hörsaal wurden Flugzettel gegen ihn verteilt und meiner Einschätzung nach waren ein Drittel Kritiker. In der sich nach dem Vortrag anschließenden Diskussionsrunde kamen mindestens drei von ihnen zu Wort und Herr Singer ging auf sie ein. Also ist die Behauptung von Schmidt-Zadel, es hätte keine Debatte gegeben, falsch. H. HERBOLD, Köln
betr.: „Im akademischen Diskurs kein Tabu“, Interview mit Dieter Birnbacher, Dekan in D`dorf, taz vom 14.12.04
Ich besuchte die Vorlesung von Peter Singer in Erwartung eines wissenschaftlichen Diskurses, der aber zu meiner Enttäuschung ausblieb. Ich wandte mich an Singer mit folgendem Diskussionsbeitrag: “Es ist für viele Menschen in Deutschland durchaus ein Politikum, dass Sie heute Abend ausgerechnet an der Heinrich-Heine Universität sprechen. Die Veranstalter mögen es mit sich selber ausmachen, ob es taktvoll war, Sie an seinem Geburtstag in seinen Geburtsort Düsseldorf einzuladen (Buhrufe). Ihre Betrachtungen zu den „animals“ in Ehren, aber jeder in diesem Saal weiß, dass Sie Vertreter der Euthanasie sind und die Freigabe der Tötung von Säuglingen, insbesondere von behinderten Säuglingen, bis 28 Tage nach der Geburt befürworten. Sie sprechen Behinderten das Lebensrecht ab, denen aus ihrer Sicht „Selbstbewusstsein“ fehlt.“ (Machen sie keine Ausführungen, stellen Sie Fragen, so die Moderatorin). Also fragte ich:„Herr Singer, sind Sie sich bewusst, dass Sie in einem Land sprechen, in dem die Würde des Menschen für unantastbar erklärt [wurde]“? [...] Ich wollte mehr sagen. Aber die Moderatorin gab mir zu verstehen: Mein Betrag war unerwünscht. GÜNTER TONDORF, Köln
Der umstrittenen Vorlesung des US-Bioethikers Peter Singer folgte sehr wohl eine 40-minütige Diskussion. Und in ihr gab es auch zwei Gegenreden, u.a. meine: Mein Vorwurf an Singer war, dass er Grenzen zwischen Spezies via Tierrecht einebnet, zugleich [...] arrogant eine neue Grenze innerhalb der menschlichen Gemeinschaft errichtet [...] Die Folge: eine Spaltung der „family of man“ und Leugnung der Universalität von Lebensrecht für alle Menschen; eine der hart erkämpften Errungenschaften der Französischen Revolution. Dass aus Ideen wie seinen wieder einmal Taten werden könnten, bestritt er nicht, sondern bezeichnete das als sein Ziel. URSEL FUCHS, Düsseldorf
Birnbauer bedauert, dass Peter Singer „seine Position in Bezug auf die Selbsttötung nur sehr wenig abgemildert hat“. [...] Unter der Rubrik „Eulennest“ wurden wir vor fünf Jahren in der taz darüber informiert, dass sich der Düsseldorfer Ethik-Professor Dieter Birnbacher für eine stärkere Freigabe genetischer Selektionen und Abtreibungen bis zur Geburt ausgesprochen habe [...] [Es] klingt in hohem Maße scheinheilig, wenn der Düsseldorfer Dekan jetzt seinen geistigen Bruder Singer attestiert, durch seine Thesen zur Spätabtreibung Behinderter „eine kollektive Kränkung“ dieser Menschen erzeugt zu haben [...] Ob es richtig war, den Teufel einzuladen um ihm ein Forum zu bieten, das sollte man nicht unbedingt den Beelzebub fragen. UWE TÜNNERMANN, Lemgo
betr.: „Vorhang auf: Umstrittene Ethik“, taz vom 13.12.04
Es ist nachweislich falsch, dass nach Singer „das Recht auf Leben von der Fähigkeit abhängt, sich seiner Zukunft bewusst zu sein und sie zu planen.“ Auch hat ein Schwein keinesfalls „nach Singer eine höhere Menschenwürde als ein behinderter Mensch“. Eben so wenig berechnet Singer Menschen nach ihrer „Nützlichkeit“ [...]Tatsächlich ist Singer Präferenzutilitarist, d.h. er versucht abzuschätzen, was ein Wesen, wenn es über Bewusstsein verfügte, nach eigenen Maßstäben bevorzugen würde. „Präferenz“ bedeutet also nicht, was wir oder die Krankenkasse bevorzugen würde, und „Nützlichkeit“ hat nichts mit „unnützem Fresser“ und anderem Nazi-Unfug zu tun. Sicher betont Singer etwas einseitig den Personenaspekt – aber ohne diesen Begriff müsste man jede Abtreibung als „Mord“ bezeichnen.
BERNHARD BECKER, Duisburg
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