■ Sind die Abgeordnetendiäten in das Sparprogramm einbezogen? : Es geht um mehr als 59 Euro
betr.: „Gebildete Rentner verlieren 59 Euro“, taz vom 22. 10. 03, „Altenheime oder Schulen“, Kommentar von Christian Füller, taz vom 23. 10. 03
Als Folge der rückwirkenden Streichung von ursprünglich zugesagten Leistungen wurde die Rente bereits um 26 Prozent abgesenkt. Nimmt man die 1983 eingeführten Krankenversicherungsbeiträge der Rentner hinzu, beträgt die Rentenabsenkung ein knappes Drittel (Prof. Meinhard Miegel: „Die gesetzliche Rente unter Anpassungsdruck“ – Deutsches Institut für Altersvorsorge Köln, Mai 2000). Weitere direkte wie indirekte Kürzungen sind angedacht: Rentner sollen die Pflegeversicherung zur Gänze selbst zahlen, Nullrunden zwischen einem halben und drei Jahren. In diesem Zusammenhang ist die geplante Streichung von weiteren drei Jahren Ausbildungszeiten zu sehen. Es geht also um wesentlich höhere Einbußen als nur um 59 Euro für lächerliche ganze drei Jährchen!
[…] Laut Bund der Steuerzahler und Bundesrechnungshof verschwenden Bund und Länder jährlich 30 bis 35 Milliarden Euro Steuergelder, pro Jahr werden von Bund und Ländern knapp 150 Milliarden Euro an Subventionen ausgegeben. Viele davon sind Erhaltungssubventionen, die in ihrer Wirkung kontraproduktiv sind und die gestrichen oder deutlich gekürzt werden sollten. Es fehlt nicht am Geld! Werden die vorhandenen Mittel sachgemäß eingesetzt, gibt es keinen Grund, die Jungen gegen die Alten auszuspielen. HELMUT PTACEK, Bruckmühl
Was bei allen Vorschlägen zum Thema Reform des Sozialstaats, der Gesundheit und der Renten auffällt, ist ihre Undifferenziertheit, und zwar von Hartz bis Herzog. Adorno sagte, das erst dasjenige Denken differenziert sei, das noch ans Kleinste heranreicht.
Wer so etwas ernst nähme in der Politik, würde die Wohlhabenden stärker belasten und die, die am Existenzminimum herumkrebsen, entlasten. Wenn die Bundesgesundheitsministerin verkündet, alle Akademiker verdienen gut, leidet sie doch offenbar an Realitätsverlust. War es nicht die SPD, die manchem, der auf eine Universitätslaufbahn hoffte, den Weg verbaute, in dem sie zu Beginn der Siebzigerjahre drastisch die preiswerten Assistentenstellen reduzierte, ein Jahrzehnt später kam dann der Lehrereinstellungsstopp. So mag es Akademiker geben, denen das Gefühl nicht fremd ist, von der SPD regelrecht verfolgt und in die Armut getrieben zu werden. KLAUS BAUM, Kassel
In unserem Lande ist ein derartig hohes Steueraufkommen vorhanden, dass unsere ständigen Wahlkämpfer in Berlin Geld ausgeben für die Förderung konkurrenzlos teurer einheimischer Steinkohle, die man vernünftiger Weise als nationale Energiereserve besser lassen sollte, wo sie ist; die Subventionierung des Lkw-Transportgewerbes in einer Form, dass es sich rechnet, Krabbenpulfahrten von Ostfriesland nach Spanien und wieder zurück zu unternehmen; die Verbrennung von neapolitanischem Hausmüll am linken Niederrhein. Da fällt Herr Füller tatsächlich auf das übelste Scheinargument unserer gesteuerten öffentlichen Beeinflussung herein: Wettkampf Jung gegen Alt.
Die Frage „Schulen oder Altenheime? geht komplett am Thema vorbei: Derselbe Mensch, der die erfahrene Schulbildung später auch zum Wohle unserer Gesellschaft einsetzt, braucht gemeinschaftliche Absicherung im Alter. Subventionsabbau ist angesagt. Nur, wie bringt man unseren Vor-Pisa-Politikern bei, dass es noch andere Subventionen gibt, als die Kilometerpauschale und die Eigenheimzulage? HANS-JÜRGEN SITTEK, Rheinberg
Es gibt immer mehr Akademiker, die arbeitslos sind, noch nie einen unbefristeten Arbeitsvertag hatten und nun auch noch dafür bestraft werden sollen, dass sie studiert haben, weil drei Ausbildungsjahre nicht mehr für die Rente anerkannt werden. Das ist also die Antwort auf das „lebenslange Lernen“, dass meine ohnehin mäßigen Rentenaussichten wegen Studienzeiten und Arbeitslosigkeit durch diese Politik noch mäßiger werden. […]
Können Sie sich vorstellen, wie man von 730 Euro Arbeitslosenhilfe alle anfallenden Verbindlichkeiten im Monat bewältigen soll, die im Gegensatz zu den Sozialleistungen nicht kleiner werden? Können Sie sich vorstellen, wovon eine Frau, die sich nicht auf die Rente ihres Mannes verlassen kann und selbst immer wieder von Arbeitslosigkeit betroffen war, im Alter leben soll? Aber Gott sei Dank werden die Arbeitslosenhilfe im nächsten Jahr ja so gering und die Renten kleiner als heute sein, dass zumindest der Staat dabei kräftig sparen wird. Haben Frau Schmidt und ihre Regierungskollegen ihre Diäten in dieses Sparprogramm auch einbezogen? […] S.B., Berlin
Das „Privileg“ der Akademiker mit der Anrechnung von Ausbildungszeiten sieht in meinem Fall so aus: Während meines Studiums an der Universität München Ende der Sechzigerjahre habe ich bei verschiedenen Arbeitgebern in Teilzeit gearbeitet, darunter als studentische Hilfskraft am Philosophischen Seminar der Universität und als Assistent des Pressereferenten des Goethe-Instituts. Die Arbeitsentgelte waren damals zwangsweise beitragsfrei gestellt mit der Begründung, dass die Ausbildungszeiten ohnehin angerechnet und bei Abführung von Beiträgen die Zeiten ansonsten doppelt berücksichtigt würden. Man hat somit hunderttausende Studierende, die sich ihre akademische Ausbildung durch eigene Arbeit verdienen mussten, im Gegensatz zu „Azubis“ gehindert, beitragsfinanzierte Rentenansprüche aufzubauen. Es ist zwar richtig, dass die Ausbildungszeiten ausnahmslos von allen Studierenden beansprucht werden können, aber für jene, die während des Studiums arbeiten mussten, sind sie darüber hinaus Kompensation für gesetzlich verhinderte Beitragszahlungen. […] Aber es kostet die Betroffenen ja nur etwa 59 Euro Rente im Monat, etwa so viel wie eine Zigarre des Bundeskanzlers; und was ist das schon? CHRISTIAN ULLMANN, Dießen/Ammersee
Die Redaktion behält sich Abdruck und Kürzen von LeserInnenbriefen vor. Die erscheinenden Briefe geben nicht unbedingt die Meinung der taz wieder.