Sicherungsverwahrung: Fußfessel und Geheimregister
Justizausschuss streitet über nachträgliche Sicherungsverwahrung. SPD fordert Sexual- und Gewaltstraftäter-Datei, hat aber kein Unterbringungs-Konzept.
Der Justizausschuss der Bürgerschaft hat am Dienstag einen SPD-Antrag zur Sicherungsverwahrung von Straftätern, die ihre Strafe verbüßt haben, mit großer Mehrheit beschlossen. In dem beschlossenen "Petitum" fordert die SPD den Senat auf, bei der Unterbringung von Sicherungsverwahrten stärker mit den beiden direkten Nachbarländern und Mecklenburg-Vorpommern zusammenzuarbeiten - ein Kooperationswunsch, der dort allerdings bislang nicht auf Gegenliebe stößt.
Erst in der vergangenen Woche hatte die geplante Unterbringung zweier ehemaliger Sicherungsverwahrter in Jenfeld zu massiven Anwohnerprotesten geführt, auf die der SPD-Antrag allerdings nicht eingeht. "Da wir auf Kooperation mit den Nachbarländern nicht bauen können, stellt sich nun umso mehr die Frage nach alternativen Unterbringungsmöglichkeiten." In Hamburg vermisst der CDU-Abgeordnete Ralf Niedmers ein Konzept des Senats. Auch seine Fraktionskollegin Viviane Spethmann betont: "Jenfeld ist konzeptionell ungeeignet und bietet keine langfristige Perspektive." Denn die jetzige Unterbringung der früheren Straftäter ist bis November dieses Jahres befristet, eine "Anschlusslösung" gibt es noch nicht.
Während hier Fragen offen bleiben, geht der SPD-Antrag zwei andere heiße Eisen an: Der Einsatz elektronischer Fußfesseln für Sicherungsverwahrte soll genauso geprüft werden, wie der Aufbau einer zentralen, öffentlich aber nicht zugänglichen Datei, in der die Daten rückfallgefährdeter Sexual- und Gewalttäter gesammelt werden.
Geregelt: Die Sicherungsverwahrung soll die Allgemeinheit vor Straftätern schützen. Entscheidend ist allein die Gefährlichkeit des Täters, die sich in einer besonders schweren Straftat geäußert haben muss.
Angeordnet: Die Sicherungsverwahrung Erwachsener kann nur per Gerichtsurteil angeordnet oder vorbehalten werden. Bis vor kurzem konnte sie auch nachträglich verfügt werden.
Gekippt: 2011 hat das Bundesverfassungsgericht die Vorschriften zur Sicherungsverwahrung für verfassungswidrig erklärt. Bis Juni 2013 muss der Gesetzgeber neue Regelungen finden.
Um einen großen Konsens im Parlament zu erreichen, habe man "auch Hinweise aus den anderen Fraktionen mit aufgenommen", betont Urs Tabbert, Rechtsexperte der SPD-Fraktion. Das sieht seine CDU-Kollegin Viviane Spethmann ebenso - sie betont das Copyright ihrer Fraktion auf die Kernpunkte des SPD-Antrags, nur dass ihre Partei das ganze schon im Mai vergangenen Jahres gefordert habe. Wo die SPD der CDU nicht folgte, gehe sie, so Spethmann, "den richtigen Weg nur halbherzig".
So fehlten dem sozialdemokratischen Papier Konzepte für eine "tragfähige und langfristige Unterbringung der entlassenen Sicherungsverwahrten" und einen effektiven Opferschutz. Die früheren Opfer der nach Jahren freigekommenen Täter müssten von der Haftentlassung informiert und gegebenenfalls auch psychologisch betreut werden.
Am Ende wurden die neun Punkte des SPD-Antrags einzeln abgestimmt. Am meisten Widerstand erntete der SPD-Ruf nach einer "verfassungsrechtlich zulässigen nachträglichen Unterbringungsmöglichkeit für besonders gefährliche Straftäter". Sie steht für GAL, FDP und Linke im Widerspruch zu einem Bundesverfassungsgerichtsurteil des vergangenen Jahres.
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