Sicherheit in Berlin-Neukölln: Schulen sollen wieder bewacht werden
Im Herbst soll ein Wachschutz vor zehn Schulen des Bezirks erneut für Sicherheit sorgen - dabei gibt es weniger Bedarf als bisher.
Weniger Neuköllner Schulen als bislang wünschen sich private Sicherheitsleute, die vor Eindringlingen und Vandalismus schützen sollen. Nur noch zehn Schulen haben derzeit Wachschutz beantragt – sechs weniger als bisher. Ende vergangener Woche schickte Bildungsstadträtin Franziska Giffey (SPD) diese Zahlen in einer „schulspezifischen Situationsanalyse“ an Bildungsstaatssekretär Mark Rackles (SPD). Der hatte zuvor Gesprächsbereitschaft signalisiert, dazu aber eine Bedarfsanalyse gefordert. Eine Antwort auf das Schreiben blieb bislang aus – finanzieren will die Bildungsverwaltung den Wachschutz aber nach wie vor nicht. Dafür seien die Bezirke zuständig, hieß es aus der Verwaltung.
„Einige Schulen schätzen die Gefährdungslage nun anders ein“, sagte Giffey der taz. Bedarf bestehe aber weiterhin. Eine Sprecherin der Senatsverwaltung für Bildung bestätigte lediglich den Eingang des Schreibens.
Zum Jahreswechsel war der Wachschutz vor den 16 Schulen abgezogen worden, weil der Bezirk die knapp 700.000 Euro im Jahr nicht mehr finanzieren konnte. Jetzt sind 400.000 Euro im neuen Haushaltsplan dafür vorgesehen, den die Bezirksverordnetenversammlung in der vergangenen Woche beschloss. Unter einem Vorbehalt allerdings: Die Finanzierung klappt nur, wenn der Senat den jährlichen Etat für die Bezirke mit weiteren 50 Millionen Euro bezuschusst. Zugesagt haben das bislang die Fraktionschefs von SPD und CDU – vom Parlament abgesegnet ist es aber noch nicht.
Seit 2008 standen die Mitarbeiter einer privaten Sicherheitsfirma jeweils zu zweit vor Neuköllner Schultoren. Sie sollten dafür sorgen, dass Probleme draußen bleiben. Größere Gewaltvorfälle wurden an den Schulen seitdem nicht mehr registriert. Als das Aus für das Prestigeprojekt von Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD) kam, setzte Bildungsstadträtin Giffey kurzerhand 1-Euro-Jobber als „Zwischenlösung“ ein. Die musste sie freilich gleich wieder abziehen: Das Jobcenter stellte sich quer.
Manche Neuköllner SchulleiterInnen forderten daraufhin, der Wachschutz müsse so bald wie möglich wiederkommen. Auch Sibylle Albrecht, die Leiterin der Walt-Disney-Grundschule in Rudow, befürwortet die Maßnahme. Dass ihre Schule auf der Liste nicht mehr auftaucht, liege nur daran, dass die Wachleute formal an der Liebig-Sekundarschule eingesetzt werden, die auf demselben Gelände liegt. Es gebe „immer wieder Vorfälle“, berichtet Albrecht, vor allem Streitereien zwischen Ober- und Grundschülern. Der Wachschutz sei da eine große Hilfe.
Die Rixdorfer Schule hat keinen neuen Antrag gestellt. „Dem Wachschutz hängt ja immer ein gewisser Ruf an“, sagt Schulleiterin Anke Peters. „Von wegen: Ihr habt eure Kinder nicht im Griff.“ Zudem träten die Probleme an ihrer Schule ohnehin nach Schulschluss auf. Am Abend, wenn die Schüler längst zu Hause sind, nutzen Vereine die Schulräume. Um in diesen Stunden zu verhindern, dass Fremde das Schulgelände betreten, brauche es keinen Wachschutz, so Peters. „Wir brauchen eine bessere Beleuchtung und eine neue Schließanlage.“ Die Bauanträge hat sie gestellt – dass sich bald etwas ändert, glaubt sie nicht. „Wir haben ja die Haushaltssperre.“ Alle übrigen Schulen, die nun keinen Wachschutz mehr beantragt haben, wollten auf Anfrage dazu nichts sagen.
Neu auf der Liste ist einzig die Adolf-Reichwein-Schule, eine Förderschule an der Sonnenallee. Anfangs habe das Kollegium gezweifelt, sagt Leiter Jens-Jürgen Saurin. Die Erfahrungen der anderen Schulen hätten die Lehrer nun aber umgestimmt.
Ob Zugang mit Codekarte, Fingerabdruck oder Videoüberwachung – Vorschläge, die Schulen technisch gegen Eindringlinge zu sichern, gibt es viele. Bislang scheitern sie am Geld. Bis nun wieder Sicherheitsleute vor Neuköllner Schulen stehen, wird es in jedem Fall dauern: Der neue Auftrag muss europaweit ausgeschrieben werden. Bildungsstadträtin Giffey rechnet damit, dass es Herbst wird, bis es wieder Wachschutz gibt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku