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■ H.G. HolleinSendepause

Die Frau, mit der ich lebe, hat keinen Rinderwahn. Dafür seit vorgestern eine laufende Nase. Und so war unser Nestchen erfüllt von nasalen Klagekundgebungen, die den ohnehin evidenten Befund artikulierten: „Hab 'nupfen“. Am nächsten Morgen weckte mich die Gefährtin mit der gekonnten Imi-tation eines Goldfischs im Glas. Der ansonsten so beredte Mund ging auf und zu, allein der Laute folgten keine. Nachhaltig und von einem hektischen Finger auf den versiegten Quell lieblicher Worte gewiesen, dämmerte mir schließlich, dass die Stimmbänder ihrer Eigentümerin den Dienst versagten. Das bedeutete Arbeit. Denn alsbald entwickelte die Gefährtin ein umfassendes Repertoire nonverbaler Steuerungsbefehle. Da wechselten wütend auf der Bettdecke trommelnde Fäuste mit waidwunden Blicken, und mit eiliger Hand wurde Blatt um Blatt eines Notizblocks bekritzelt. „Honig“ „Hühnerbrühe“, „Halsschmerzmittel“ – bisweilen kann das Zwischenmenschliche ausdrucksvolle Verben, farbige Adjektive gar, mühelos entbehren. Als sich im Laufe des Tages die Wunschzettel auf „Was zu lesen“, „Schokolade“, „Gläschen Sekt“ erweiterten, war ich geneigt, dies als Zeichen allmählicher Überwindung der Krisis auszulegen. Und siehe da, gen Abend erklang das erste Flüstern: „Schatz, wir haben keine Zigaretten mehr.“

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