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Archiv-Artikel

Selbstherrlichkeit, nicht Freiheit

betr.: Absetzung der Mozart-Oper „Idomeneo“

Was mich ärgert an der Berichterstattung in der heutigen taz ist die völlig undifferenzierte Übernahmen des „Kunst!! Freiheit!!“-Geschreis, ohne die Gelegenheit für eine kritische Auseinandersetzung mit Neuenfels’ Inszenierung zu nutzen.

Satire „darf alles“; aber die Neuenfels-Geschichte spielt, genau wie die Papstäußerungen in Regensburg, in einer ganz anderen Liga. Mozarts „universelle Botschaft“ besteht in der Hoffnung auf ein Weltethos, in dem sich die Weltanschauungen (verkörpert durch Bassa Selim, Sarrastro, Titus …) versöhnlich, in einem Weltethos der Vernunft, die Hand reichen. Weder gibt es bei ihm den Gedanken, dass die Menschen sich durch einen blutigen Gewaltakt von ihren Götzenbildern befreien können, noch legt er nahe, der archaische Machogott Poseidon sei mit den drei Religionsstiftern in einen (Guillotine-)Korb zu werfen; abgesehen davon, dass Poseidon in der Oper ja längst und auf klügere Art zur Einsicht gebracht wurde.

Wem ist gedient mit einer Mozart in so gravierender Weise entstellenden Inszenierung auf einer großen Bühne der Hauptstadt? Was macht die Schlussszene so „unverzichtbar“ (Intendantin Kirsten Harms in ihrer Presseerklärung), dass man sie nicht überdenken konnte, so wie der Papst sein Kaiser-Manuel-Zitat besser gestrichen hätte? Wird hier nicht „Freiheit der Kunst“ mit „Selbstherrlichkeit des Künstlers“ verwechselt? BÄRBEL HAUDE, Göttingen

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