Selbstgerechte Memoiren: Schlimm für Blair war nur der Brown
In seinen Memoiren bereut Expremier Tony Blair nichts – auch nicht den Irakkrieg. Dafür geißelt er seinen Nachfolger: Seinen Frust über Brown habe er im Alkohol ertränken müssen.
DUBLIN taz | Dass sie sich nicht sonderlich mögen, wusste man längst. Mit welcher Vehemenz der ehemalige britische Premierminister Tony Blair seinen Nachfolger Gordon Brown attackiert, ist jedoch bemerkenswert. Blair schreibt in seinen Memoiren "A Journey" (Eine Reise), die gestern veröffentlicht wurden, dass seine Beziehung zu Brown so stressbeladen war, dass er im Alkohol Trost suchte: Whisky und Gin als Aperitif, Wein zum Essen.
"Schwierig, und manchmal zum Verrücktwerden" sei sein Verhältnis zu Brown gewesen. Aber er sei zu der Überzeugung gelangt, dass es besser gewesen sei, ihn "im inneren Kreis zu haben und ihn im Zaum zu halten, als ihn loszulassen oder schlimmer, ihn zum Leitbild schädlicher Kräfte weit auf der Linken zu machen". Blair bescheinigt seinem Widersacher "analytische Intelligenz", aber "null emotionale Intelligenz". Blair sagt, Brown habe ihn erpresst. Er drohte 2006 angeblich damit, eine unabhängige Untersuchung über den Verkauf von Adelstiteln einzuleiten und dadurch Blair zu stürzen, falls dieser nicht seine Pläne für die Reform des Rentenwesens aufgebe.
Für die schwere Wahlniederlage im vergangenen Mai macht Blair alleine Brown verantwortlich. "Es konnte nicht funktionieren", schreibt er. "Labour gewann, als es New Labour war. Labour verlor, als es aufhörte, New Labour zu sein." Er habe von Anfang an gewusst, dass Brown als Premier eine Katastrophe sein würde. Und er empfiehlt dem neuen Labour-Parteichef, der zur Zeit gewählt wird, nicht nach links zu driften: "Wenn wir diesen Weg einschlagen, wird die nächste Niederlage noch bitterer werden."
Blair räsonniert über seine Wahl zum Labour-Chef 1994 und zum Premierminister drei Jahre später, über den Tod von Prinzessin Diana, die nordirischen Friedensverhandlungen, die Kriege auf dem Balkan und natürlich im Irak. Er rechtfertigt sehr ausführlich seine Entscheidung, mit den USA in den Krieg zu ziehen, auch wenn keine Massenvernichtungswaffen gefunden wurden. Saddam Hussein habe sein Waffenprogramm nicht aufgegeben, sondern lediglich "auf Eis gelegt", schreibt Blair. Er hätte es jederzeit wiederbeleben können.
Blair räumt allerdings ein, dass er "den Albtraum, der sich nach dem Sturz Saddam Husseins" entwickelte, nicht vorhergesehen habe. Einfache Beileidsbekundungen für die Hinterbliebenen der gefallenen britischen Soldaten seien nicht mehr ausreichend, schreibt Blair: "Sie sind gestorben, und ich, der die Entscheidung getroffen hat, die zu ihrem Tod führte, lebe noch." Dennoch sei diese Entscheidung richtig gewesen. Wenn er überhaupt etwas bedaure, so sei es das Verbot der Fuchsjagd, weil er nicht verstanden habe, dass das für viele Briten zum Lebensstil gehöre, sowie das Gesetz über Informationsfreiheit, weil es "unpraktisch" für die Regierenden sei, wenn ihre Gespräche öffentlich würden.
Der Inhalt seiner 700 Seiten starken Memoiren ist streng geheim gehalten worden. Der Verlag Random House hat erst in der Nacht zu gestern erste Auszüge veröffentlicht. Blair, der das Buch handschriftlich verfasst hat, stiftet sein Honorar - vier Millionen Pfund Vorschuss plus Tantiemen - an ein Sportzentrum für verwundete Soldaten, das im Sommer 2012 eröffnet werden soll.
Die britische Antikriegskoalition hat angekündigt, bei jeder Signierstunde gegen die "Memoiren eines Kriegsverbrechers" zu protestieren. "Wir sind in den katastrophalen Krieg im Irak mit einer Serie von Lügen und Irreführungen getrieben worden. Man hätte ihn dafür zur Rechenschaft ziehen müssen", sagte ein Sprecher.
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