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Selbstbild versus BrowserverlaufDas Digitale lügt nicht

Nullen und Einsen

von Meike Laaff

Wie lange die Zweijährigen am Tag so mit aufs Smartphone gucken dürfen? „Also, maaaximal 3, 4 Minuten.“ Facebook? „Da poste ich eigentlich nichts mehr. Logge mich höchstens alle paar Tage mal ein, um zu schauen, was die anderen so schreiben.“ Router-Software? „Update ich natürlich regelmäßig.“

Reden Leute mit mir über ihr Leben im Digitalen, fangen sie an zu flunkern. Genau wie ich auch. Schönreden, das gehört heute natürlich ganz selbstverständlich zur Lebensgestaltung. Haben uns doch soziale Netzwerke längst beigebracht, dass man dort das idealste aller Selbstbilder von sich zeichnen kann – als aktiver, attraktiver Mensch, immer vollinformiert, witzig und auf der Höhe der Zeit. Stimmt nicht? Wer sich noch nie über die miese Qualität der Spiegel-Online-Aufmacher beschwert hat, obwohl er eigentlich nur die Panorama-Meldungen geklickt hat, der werfe den ersten Stein.

Doof nur, dass all diese kleinen Lebensflunkereien bei Netz und Technik nicht so einfach durchgehen. Über die schieren Datenschlieren, die wir hinter uns herziehen, lassen sie sich ganz einfach dekonstruieren. Ich kann lange erzählen, dass ich diesen Online-Programmierkurs natürlich noch immer mache, denn das fände ich richtig und gut von mir. Eine Statistik darüber, wann ich mich die letzten Male tatsächlich auf der Lernplattform eingeloggt habe, erzählt leider eine ganz andere Wahrheit über mein Engagement. Google weiß natürlich, dass ich mich am Abend nicht eingehend mit Hintergründen zu den wichtigen politischen Entwicklungen des Tages beschäftigt habe. Sondern einfach schnöde nach einem neuen Schrank fürs Bad und Kapuzenpullis gegoogelt habe. Was sich nachher, mehr oder weniger meinem Selbstbild entsprechend, natürlich wieder in den Interessen spiegeln wird, die Google mir für seine Werbevermarktung zuordnet. Spätestens wenn der freundliche Nerd-Nachbar einfach mal mein Desktopbild verändert, ist klar, dass ich der Konfiguration meines Routers nicht so viel Sorgfalt gewidmet habe, wie es nötig gewesen wäre. Und lassen Sie uns bitte nicht davon anfangen, was die letzten 100 YouTube-Videos sind, die ich aufgerufen habe!

Ein bisschen kognitive Dissonanz gehört in einer komplexen Welt natürlich dazu – um zu funktionieren ohne vollkommen verrückt zu werden. Schwierig allerdings, je erfolgreicher wir uns selbst einreden, diese optimiertere digitale Version unserer selbst dann tatsächlich auch zu sein. Wozu mir ein Satz einfiel, der mir vom Jahrestreffen des Chaos Computer Clubs hängengeblieben ist. „Du bist nicht dein Gehirn. Du bist eine Geschichte, die Dein Gehirn sich selbst erzählt“, sagte der Künstliche-Intelligenz-Forscher Joscha Bach da in seinem abgefahrenen Vortrag über „Computational Meta-Psychology“. Und nannte es Aufklärung, sich das bewusst zu machen.

Was mir ziemlich einleuchtete. Wobei sich mir, zurück im Alltag, so langsam die Frage aufdrängt: Was, wenn sich aus unserem Digitalverhalten längst viel ehrlichere Geschichten über uns erzählen lassen als die, die unsere Gehirne über uns selbst erzählen?

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