■ Seit José Ramos kämpft, ist der spanische Stierkampf populär wie nie zuvor: „El Rambos“ Methoden
84.746 Madrileninnen und Madrilenen hielten den Atem an, als in der vollbesetzten Stierkampfarena „Las Ventas“ der Schieber aufging und ein mächtiger Stier schnaubend in die Arena donnerte, geradewegs auf den Torero zu, der seelenruhig in der Mitte des Platzes stand und genüßlich an seinem Zigarillo sog.
Dem Publikum gefror fast das Blut in den Adern, als dieser, der Stier nur noch 20 Meter entfernt, immer noch keine Anstalten machte, dem Koloß auszuweichen. Zwei Sekunden später erschütterte eine Explosion das Stadion, der Stier wurde meterhoch in die Luft geschleudert, stürzte zu Boden, wo er zerschmettert liegenblieb. José Ramos hatte soeben in Rekordzeit seinen 500. Bullen zur Strecke gebracht, stolz präsentierte er sich der tobenden Menge.
Auf die Frage, wie er den schweren Brocken mit so tödlicher Präzision habe erledigen können, antwortete der leutselige Kastilier mit einem wiehernden Lachen, seinem Markenzeichen. „Natürlich war ich es, der die Tretmine legte, denn der Stier hat es bestimmt nicht getan!“
„Humor ist, wenn es trotzdem kracht“, scheint das Motto des Shooting-Stars der iberischen Stierkampfszene zu sein. Mit 25 Jahren ist José Ramos der Jüngste im legendenumwobenen „Club der Fünfhundert“, und pünktlich zur Jahrtausendwende will er die 1.000 vollgemacht haben.
Das Geheimnis seines kometenhaften Aufstiegs liegt in der konsequenten Anwendung modernster Waffentechnologie auf die alte Kunst des Stierkampfs. Seit „El Rambo“, wie er von seinen Fans liebevoll genannt wird, den Stieren mit Tretminen, Handgranaten und leichten Schützenpanzern zu Leibe rückt, weht wieder ein frischer Wind durch die spanischen Arenen. Zuschauerschwund ade — sie sind wieder ausverkauft wie zu Hemingways Zeiten.
Eine erste Hürde hatte José Ramos gewohnt souverän genommen: Seit radikale Tierschützer Anfang der neunziger Jahre das blutige Ritual madig zu machen versuchten, gingen die Zuschauerzahlen stetig zurück. Umfragen zufolge interessierten sich nur noch 99 Prozent der spanischen Männer und 94,5 Prozent der Frauen für Corridas.
Dem Hauptvorwurf der Tierschützer, die Stiere würden langsam und qualvoll sterben, nahm „El Rambo“ jeden Wind aus den Segeln, indem er die Tiere in Blitz
kriegsmanier allemachte. „Von Tierquälerei kann bei meiner Methode keine Rede mehr sein. Ein Stier spürt bei mir weniger als im Schlachthof, und die Leute haben noch ihren Spaß dazu!“ meint der sympathische Sprengmeister mit unbeirrbarem Optimismus.
Der Schlüssel zu Josés Erfolg, der inzwischen schon zahlreiche
Nachahmer gefunden hat, liegt in seinem unerreichten Ideenreichtum bei der Wahl der Mittel: Weicht der Stier der Tretmine aus, nimmt der Liebhaber klassischer Gitarrenmusik eben die Handgranate. Bleibt das Tier wohlweislich außer Wurfweite, greift José, der in seiner Freizeit Seidenraupen züchtet, kurzerhand zur Bazooka. Bei besonders schweren Kalibern bekämpft er den Stier schon mal vom Schützenpanzer aus — eine interessante Variante des altertümlichen Kampfes zu Pferde.
Daß er die Stiere auch anders, nämlich absolut gewaltfrei, außer Gefecht setzen kann, bewies der immer zu einem Späßchen aufgelegte Matador, als er einmal für den Stier von der Box bis zur Mitte der Arena einen roten Teppich ausrollen ließ. Was weder Publikum noch Stier wußten — am Ende überspannte der Teppich eine fünf Meter tiefe Fallgrube. Bis zum großen Plumps dauerte es gerade mal 15 Sekunden. Caramba! Rüdiger Kind
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