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Sehenden Auges in die Katastrophe?

■ „Telekom“-Betriebsrat schert sich wenig um fehlerhafte Betriebsratswahl Von Stefanie Winter

Sehenden Auges nehme die Telekom in Kauf, daß die Betriebsratswahlen, die am kommenden Dienstag für die Niederlassung 5 beginnen, von jedermann anfechtbar sein werden. Und die Konsequenzen, meint der Lübecker Arbeitsrechtler Michael Kröger, könnten bundesweit katastrophal sein. Der Antrag seiner Mandanten, im Wege einstweiliger Verfügung die Wahl abbrechen zu lassen und zumindest für den Betriebsteil in Lübeck neu einzuleiten, wurde gestern vom Arbeitsgericht Hamburg abgelehnt. Mit einer Begründung des Urteils ist erst in einigen Wochen zu rechnen. Und ohne diese, ist der Rechtsanwalt überzeugt, seien die Erfolgsaussichten einer Beschwerde vor dem Landesarbeitsgericht äußerst gering.

Seine Mandanten sind bei der Telekom in Lübeck beschäftigt; der Betriebsteil wurde im Rahmen der postalischen Umstrukturierungen der Niederlassung 5 mit Sitz in Hamburg-Harburg zugeschlagen. Dort soll auch zukünftig der Sitz des gemeinsamen Betriebsrats sein – für die drei Lübecker Kollegen viel zu weit entfernt. Sie sind mit ihrem Anwalt überzeugt, daß die Wahl eines eigenen Lübecker Betriebsrats nach dem Betriebsverfassungsgesetz geboten ist. Ansonsten sei die Wahl anfechtbar.

Das Wahlausschreiben gründe sich zudem auf einen Tarifvertrag, der offenkundig noch nicht gültig ist. Unklar ist, ob die Tarifparteien ihn bereits unterschrieben haben. Die notwendige Zustimmung des Bundesarbeitsministers liegt aber auf keinen Fall vor. „Es wird also wissentlich gegen gesetzliche Bestimmungen verstoßen“, meint Günter Wosnitza, einer der Antragsteller.

Was der Anwalt des Wahlvorstands lediglich für eine Formalie hält, birgt nach Auffassung des Telekom-Mitarbeiters Wosnitza große Gefahren. Werde die Wahl zu einem späteren Zeitpunkt angefochten und für ungültig erklärt, würden auch die bis dahin vom Betriebsrat getroffenen Vereinbarungen null und nichtig. Schlimmstenfalls stünden die Beschäftigten ohne Kündigungsschutz da – aufgrund der bestehenden, dann wieder geltenden Verträge wäre das Ende des kommenden Jahres der Fall.

Der jetzige Betriebsrat der Niederlassung 5, zusammengesetzt aus ehemaligen Personalräten, vermag die Gefahr einer Anfechtung durchaus zu erkennen. Er sehe sich jedoch außer Stande, so der Vorsitzende Maak, an dem Verlauf etwas zu ändern. „Der Wahlvorstand ist ja vom Betriebsrat eingesetzt worden.“ Mit den drei Mitarbeitern habe man ein längeres Gespräch geführt und könne sie schon verstehen.

Wenig kämpferisch sei der Betriebsrat, diagnostiziert der Lübecker Anwalt – vermutlich die Folge seiner langjährigen Personalratsvergangenheit. Von der Richterin des Arbeitsgerichts habe er sich allerdings erhofft, daß sie „über den Tellerrand hinausschaut“. Er vermutet, daß das Gericht jedoch ausschließlich geprüft haben könnte, ob der Antrag der Lübecker Beschäftigten nach dem Betriebsverfassungsgesetz überhaupt zulässig gewesen ist.

„Sie könnten wegen des Rechtsfehlers die Wahl anfechten. Es wäre widersinnig, ihnen nicht zuvor die Möglichkeit zur Verhinderung zu geben“, meint Anwalt Kröger. Das Gericht machte schon während der kurzen Verhandlung deutlich, daß es das möglicherweise anders sieht: Antragsteller sein könnten Arbeitgeber, Wahlvorstand, im Betrieb vertretene Gewerkschaften oder – der Betriebsrat.

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