Seeräuber vor Afrika: Somalias lukratives Piratengeschäft
Die Seeräuberei vor Somalia ist ein Millionengeschäft. Je mehr Lösegeld die Piraten erbeuten, desto besser sind sie ausgerüstet. Ihr Treiben könnte den Welthandel gefährden.
BERLIN taz Die zunehmende Seeräuberei vor Somalia kann den gesamten Welthandel destabilisieren. Zu diesem Schluss kommt der renommierte außenpolitische britische Think-Tank "Chatham House" in einer neuen Studie. "Es gibt mehrere Optionen für die internationale Gemeinschaft", heißt es, "Aber das Problem zu ignorieren, ist keine Option."
In diesem Jahr wurden der Studie nach bis zum 25. September 61 erfolgreiche oder versuchte Überfälle auf Schiffe vor Somalia gemeldet, so viele wie in den letzten vier Jahren zusammen. Die bislang 2008 von Piraten kassierten Lösegelder summierten sich auf 18 bis 30 Millionen Dollar. Wurden früher einige hunderttausend Dollar zur Freigabe eines gekaperten Schiffs gefordert, beträgt die Lösegeldforderung für die seit dem 20. Juli festgehaltene "Stella Maris" 3,5 Millionen, und für das am 25. September gekaperte ukranische Rüstungsschiff "Faina" forderten die Piraten zunächst 35 Millionen und inzwischen 20 Millionen Dollar.
Je mehr Geld die Piraten einnehmen, desto besser können sie sich organisieren und noch wertvollere Frachten kapern, so die Studie. "Die Piraten haben ihre Ausrüstung verbessert und benutzen nun GPS-Systeme und Satellitentelefone", heißt es. Sie hätten wahrscheinlich Kontakte zu Häfen im Arabischen Golf, in Europa und Asien. Weiterhin operierten sie nicht mehr nur von der Küste aus, sondern von permament auf hoher See stationierten "Mutterschiffen", was ihren Aktionsradius erheblich ausdehne. Auch ihre Bewaffnung habe sich verbessert: statt Maschinengewehre setzten sie inzwischen Raketenwerfer ein. "Raketenwerfer auf Öltanker zu feuern sollte ein Anlass zu großer Sorge sein", so die Studie.
Die meisten Piraten kommen aus Puntland, der Nordostecke Somalias. Es handelt sich insbesondere um den Hafen Eyl und die Regionen Haradheere und Hobyo. Puntland ist die Heimatregion des Präsidenten der international anerkannten Übergangsregierung Somalias, Abdullahi Yusuf. Die Studie legt nahe, dass Yusuf und damit Somalias Regierung von der Piraterie profitieren. "Geld wird an Yusuf als Geste der Anerkennung fließen", zitiert die Studie einen Experten und schlussfolgert: "Auch wenn die höheren Ebenen der Regierung und die Clanstruktur Somalias die Piraterie nicht direkt organisieren, ziehen sie daraus vermutlich Profit."
Das ist eine Herausforderung für die internationale Politik gegenüber Somalia, die einseitig auf die Regierung Yusuf setzt. Nachdem 2006 islamistische Gruppen die Kontrolle über Somalias Hauptstadt Mogadischu übernommen hatten, ermutigten die USA und ihre Verbündeten Äthiopien Ende 2006 zu einer Militärintervention. Äthiopiens Armee besetzte Mogadischu, stürzte die Islamisten und setzte stattdessen Abdullahi Yusuf ein. Seitdem herrscht Bürgerkrieg in Mogadischu und der gesamten Südhälfte Somalias.
Die in den Untergrund abgedrängten Islamisten werden verdächtigt, zum Terrornetzwerk al-Qaida zu gehören. Aber die einzige Zeit, in der die Piraterie in Somalia merklich abnahm, war das halbe Jahr, in dem die Islamisten Mogadischu kontrollierten. Jetzt muss die internationale Gemeinschaft also überlegen, wie sie eine Situation dauerhafter Unsicherheit bewältigen kann, deren Entstehen sie 2006 selbst mit herbeigeführt hat. Die Studie von "Chatham House" warnt, bald könnten wichtige Teile des Seehandels zwischen Asien und Europa die somalischen Gewässer und damit das Rote Meer und den Suez-Kanal meiden und lieber auf den viel längeren und teureren Seeweg rund um das Kap der Guten Hoffnung an Afrikas Südspitze ausweichen.
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