Schwerpunktpraxen: Patienten bangen um gute Behandlung

Ärzte in Aids- und Krebs-Schwerpunktpraxen sollen ab 2009 keine Zuschüsse für den Mehraufwand ihrer Behandlungen bekommen. Schuld daran ist ist der Gesundheitsfonds. Die Beteiligten suchen nach einer Einigung.

Die Versorgung für Aids- und Krebskranke ist in Gefahr. Ärzte aus sogenannten Schwerpunktpraxen mit besonders vielen dieser Patienten sollen im neuen Jahr keine Zuschüsse mehr von den Krankenkassen bekommen. "Bisher haben wir zwischen 61 und 77 Euro pro Quartal für jeden HIV-Patienten bekommen", sagt Dietmar Schranz vom Arbeitskreis Aids Berlin. "Wenn diese Zahlungen wegfallen, bedeutet das in einem Vierteljahr einige Tausend Euro weniger." Kleine Praxen wie seine müssten dann Personal entlassen und könnten die individuelle Versorgung der Patienten nicht mehr sicherstellen.

Schranz ist Facharzt für innere Medizin und behandelt in seiner Wilmersdorfer Praxis nicht nur gängige Krankheiten, sondern betreut gleichzeitig ungefähr 200 HIV-Patienten. In Berlin gibt es zur Zeit elf dieser Schwerpunktpraxen für Menschen mit HIV oder Aids und 20 Praxen für Krebskranke. Die Verträge zwischen Krankenkassen und Kassenärztlicher Vereinigungen (KV) wurden zum Januar 2009 gekündigt. Grund ist die Einführung des Gesundheitsfonds.

Die regionalen Vereinbarungen zwischen den Kassen und den Kassenärztlichen Vereinigungen wurden in Berlin wie auch in anderen deutschen Großstädten schon in den 1990er Jahren getroffen. So sollen Ärzte, die besonders aufwändige Behandlungen durchführen, unterstützt werden. Darunter waren auch Verträge für die bessere Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit psychischen Erkrankungen, die nun auch gekündigt wurden.

"Die Krankenkassen sind verunsichert, weil sie nicht wissen, wieviel Geld ihnen nächstes Jahr zur Verfügung steht" erklärt Florian Lanz, Sprecher des Spitzendverbands der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV). Ab 2009 werden die bisher unterschiedlichen Beitragssätze der Krankenkassen durch den einheitlichen Beitragssatz von 15,5 Prozent ersetzt. Erst am kommenden Wochenende erfahren die Kassen, wie viel Geld sie vom Bundesversicherungsamt aus dem Gesundheitsfonds bekommen.

"Wir befürchten einen Zusammenbruch des hochspezialisierten Versorgungsnetzes" kritisiert Annette Kuhn von der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin das Vorgehen der Krankenkassen. Wenn die kleinen ambulanten Praxen die Versorgung nicht mehr sichern können, müssten die Patienten wieder in Krankenhäusern behandelt werden. "Das wäre nicht gut für die Patienten und teurer für die Kassen" meint Kuhn und fordert die Kassen auf, die Verträge fortzuführen.

Auch Ulrike Helbig, Ärztin und Leiterin der Berliner Krebsgesellschaft e.V., sieht die Krankenkassen in der Pflicht. Die neuen Regelungen dürfen nicht auf dem Rücken der Patienten ausgetragen werden, findet sie. "Viele sind sehr schwach und abhängig von der guten Betreuung. Wir sind unendlich glücklich, dass es inzwischen gute Medikamente und Therapien für Krebskranke gibt. Es ist extrem notwendig diese Strukturen zu erhalten."

Aktuell verhandeln die kassenärztliche Vereinigung und die Krankenkassen auf Bundesebene nun über eine Übergangslösung. Dabei sollen alle bereits gekündigten Verträge doch noch bis Ende März 2009 weiterlaufen. "Wir wollen Zeit gewinnen, denn wir wissen ja auch, dass die Netzwerke sinnvoll sind", sagt Florian Lanz vom GKV. Er geht davon aus, dass die Verhandlungen erfolgreich verlaufen. "Bisher gab es ja auch freiwillige Vereinbarungen der Krankenkassen." Wie es dann im zweiten Quartal nächsten Jahres weiter gehen soll, weiß Lanz allerdings nicht. Langfristig gibt es also noch keine Lösung für die Schwerpunktpraxen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.