Schweinegrippe: Jetzt rollt auch die Impfwelle
Nach anfänglicher Skepsis gegenüber der Impfung rennen die Patienten den Ärzten nun die Türen ein. Medikamentenherstellung läuft langsamer als geplant. Appell: Gesunde sollen Risikogruppen Vortritt lassen.
Die Einstellung der Norddeutschen zur Schweinegrippe-Impfung scheint sich in den vergangenen Tagen radikal verändert zu haben. Noch im September wollten sich einer repräsentativen Umfrage der Krankenkasse DAK zufolge 68 Prozent "auf keinen Fall" oder "wahrscheinlich nicht" impfen lassen. Inzwischen kommen die Ärzte mit dem Impfen kaum nach.
"Während wir zuerst eine Impfmüdigkeit konstatierten, stellen wir jetzt einen regelrechten Impfdrang fest", sagt Thomas Spieker, Sprecher des niedersächsischen Gesundheitsministeriums. Seine Kollegen aus anderen Nord-Bundesländern bestätigen das. "Die Nachfrage ist im Moment höher als die Menge der verfügbaren Impfdosen", sagt Christian Kohl vom schleswig-holsteinischen Gesundheitsministerium.
Dass das so ist, liegt daran, dass der Hersteller des Impfstoffs Pandemrix weniger Dosen liefern kann, als zunächst geplant. Das Land Niedersachsen zum Beispiel sollte in den vergangenen drei Wochen jeweils 200.000 Dosen geliefert werden. Es kamen aber in summa nur 390.000 statt 600.000 an.
Der Hersteller Glaxo Smith Kline begründet das damit, dass seine Viruskulturen schlechter gedeihen als erwartet. Die abgetöteten Viren sind aber der wichtigste Bestandteil des Impfstoffs. Darüber hinaus hätten einzelne Impfstoffchargen nachgetestet werden müssen und die EU habe zusätzliche Vorgaben zur Impfdokumentation gemacht.
Warum die Nachfrage, sprich: der Wunsch, sich impfen zu lassen, sprunghaft gestiegen ist, darüber lässt sich nur spekulieren. Kohl vermutet, dass die Grippewelle in Süddeutschland die Menschen aufgeschreckt hat. Uwe Köster von der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen geht davon aus, dass die Berichterstattung über die ersten Toten dazu beigetragen hat und die Tatsache,dass die Grippe unter Kindern grassiert. Offenbar kämen sehr viele Eltern mit Kindern in die Praxen.
"Ein Problem ist, dass sehr viele Gesunde zum Impfen gehen", sagt Rico Schmidt, Sprecher der Hamburger Gesundheitsbehörde. In allen Ländern gilt, dass medizinisches und Ordnungspersonal sowie chronisch Kranke zuerst geimpft werden sollen. "Das ist für uns ein Gebot der Solidarität", sagt Spieker. Die Ärzte sollen Gesunde nur dann impfen, wenn sie damit offene Ampullen aufbrauchen können. Jede Ampulle enthält zehn Impfdosen. Ist sie einmal geöffnet, muss sie binnen 24 Stunden verbraucht werden. Das strikteste Impfregime hat Bremen: Hier gibt es einen Plan zu welcher Zeit welche Gruppen geimpft werden sollen.
Die Stadtstaaten und die Flächenländer haben den Grippeschutz unterschiedlich organisiert. In Letzteren wird das Medikament über einige hundert Vertragsapotheken an alle impfwilligen Ärzte verteilt. In Hamburg und Bremen wird in den Gesundheitsämtern und ausgewählten Praxen geimpft.
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