■ Schweden: Soldidarität mit antirassistischer Zeitschrift: Bürgerpresse gegen Glatzen
Stockholm (taz) – Fast wäre es schwedischen Rechtsradikalen gelungen, die Herausgabe der antirassistischen Zeitung Expo zu verhindern. Doch dann entschlossen sich mehrere Tageszeitungen zu einer beispiellosen Solidaritätsaktion.
Nach Drohungen der Rechtsradikalen hatte die bisherige Druckerei von Expo kürzlich „mit Rücksicht auf die Sicherheit unserer Angestellten“ den Druckauftrag gekündigt. Der Expo-Chefredakteur lebt und arbeitet ohnehin längst unter geheimer Adresse. Viele Zeitungsläden und Kioske nahmen Expo nach Anschlägen und Drohungen der Rechtsradikalen aus dem Regal. Die führende Grosso-Firma stellte den Vertrieb ein.
Wegen des rechtsradikalen Terrors gegen das antirassistische Blatt brachte Dagens Nyheter nun am vergangenen Freitag einen ganzseitigen Vorabdruck zweier Artikel aus Expo. Dazugestellt wurde eine Auflistung der rechtsradikalen Gewalttaten des letzten Vierteljahrs (118 – für ein Land wie Schweden eine hohe Zahl). Der Chefredakteur warnte in einem Kommentar davor, nicht den gleichen Fehler zu machen wie in den dreißiger Jahren und die Rechtsradikalen zu unterschätzen. Andere Blätter druckten kostenlose Werbeanzeigen für Expo, die größten Zeitungen Expressen und Aftonbladet sagten zu, die neueste Ausgabe kostenlos in ihren Druckereien zu produzieren und am heutigen Montag als Beilage in einer Auflasge von 800.000 Stück unter die Leute zu bringen.
Die erste Nummer der antirassistischen Zeitung war im September 1995 erschienen. Getragen von mehreren Jugendverbänden konzentriert sich Expo auf die Darstellung und Analyse ausländerfeindlicher und rassistischer Aktivitäten in Schweden.
Seit April dieses Jahres begannen dann diejenigen Kreise, die sich von Expo genau beobachtet fühlen, zuzuschlagen. In dem rechtsradikalen Blatt Info14 tauchte neben der üblichen Liste „kommunistischer“ Adressen, um die man sich „kümmern“ solle, auch eine genaue Auflistung der Firmen auf, die mit der Herstellung und Verbreitung von Expo befaßt sind. Auch die Inserenten und Sponsoren wurden aufgezählt – samt dem Aufruf, diesen wegen „antinationaler“ Haltung einen Denkzettel zu verpassen. Schließlich wurde noch eine Art Wettbewerb ausgeschrieben, der die „besten“ Aktionen gegen Expo prämieren sollte. Wir ernst dies gemeint war, zeigte sich schnell. Es begann mit rassistischen Schmierereien bei der Druckerei und den Verkaufsstellen. Dann erhielten inserierende Firmen Drohanrufe und -briefe, es folgten eingeworfene Fensterscheiben und zugeklebte Türschlösser. Immer mehr Händler stellten wegen dieser Aktionen von rechts den Expo-Verkauf ein. Seit die Druckerei sich anschloß, steht zu befürchten, daß Expo in Zukunft nur noch per Postvertrieb seine Leser erreicht.
Die Polizei will bislang keine einzige konkrete Spur zu den Hintermännern des braunen Terrors gegen Expo gefunden haben. Mehr noch: Bevor sich Expo Anfang vergangener Woche entschlossen hatte, die Anschläge publik zu machen und Anzeige zu erstatten, hatten die lokalen Strafverfolgungsbehörden die Strafanzeigen durchweg nicht weiterverfolgt. Wegen „mangelnder Anhaltspunkte“ für einen bestimmten Täterkreis.
Zu einer konzertierten Strafverfolgungsaktion unter Leitung der Stockholmer Staatsanwaltschaft zeigte sich die Polizei erst bereit, als in der Presse die Frage aufgeworfen wurde, ob in Schweden rechtsradikaler Terror ungestört eine Zeitschrift zum Verstummen bringen dürfe. Reinhard Wolff
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