Schwarzfahrer-Prozess: Freispruch für Nicht-Schwarzfahrer

Ahmet B. wird von BVG-Kontrolleuren angezeigt wegen Schwarzfahrens und Körperverletzung. Doch das Kriminalgericht Moabit spricht ihn frei. Beim Prozess erzählt der Angeklagte, die BVGler hätten ihn angegriffen

Als Ahmet B. am 1. August letzten Jahres die U-Bahn betritt, weiß er noch nicht, dass sein Monatsticket zu Hause liegt. Wenig später gerät er in eine Kontrolle, und ziemlich alles läuft dem Fahrgast aus dem Ruder. Ein Jahr später steht Ahmet B. vor Gericht. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft: Körperverletzung und Erschleichung von Leistungen - Schwarzfahren also. Das Kuriose dabei: Ahmet B. arbeitete selbst einmal als Fahrkartenkontrolleur für die BVG.

Am Dienstagmorgen herrscht im Kriminalgericht Moabit zunächst Einigkeit. Ahmet B. gibt zu, in der U-Bahn ohne Fahrschein kontrolliert worden zu sein. Er stieg aus, nannte nach eigenen Angaben Namen und Anschrift und wunderte sich über das raue Vorgehen des BVG-Kontrolleurs. Der wollte laut Ahmet B. auch den Ausweis sehen, um die Angaben des mutmaßlichen Schwarzfahrers zu überprüfen. Doch dazu war er gar nicht berechtigt. Ahmet B. gibt an, sich peinlich genau an die Vorschrift gehalten zu haben. Der Angeklagte war im Jahre 2006 selbst für sechs Monate als Fahrkartenkontrolleur für die BVG tätig. Seitdem weiß er, dass ein Fahrgast seinen Ausweis den BVG-Kontrolleuren nicht zeigen muss.

In der darauf folgenden Auseinandersetzung wird nach Angaben von Ahmet B. auch nicht der Kontrolleur verletzt, sondern er selbst. Schwere Vorwürfe erhebt er gegen das Vorgehen des Kontrolleurs. Der habe ihn am Arm gehalten, die Jacke zerrissen und geschlagen, sodass sogar ein Stück Zahn abgebrochen sei. Ein ärztliches Attest hat der Angeklagte auch mitgebracht.

Der BVG-Kontrolleur Daniel P., ein hochgewachsener ehemaliger Zimmermann, tritt an diesem Prozesstag als Zeuge auf und kann sich an nichts Genaues erinnern. "Der Herr war uneinsichtig", sagt er im Gerichtssaal und weist die erhobenen Vorwürfe zurück. Der Fahrgast habe nicht kooperieren wollen, da habe er die Polizei gerufen. Andere Details sind ihm nicht mehr gewärtig. Der Kontrolleur weiß nur zu berichten: "Ich habe ihn nicht angefasst." Auch der Erzählung des Angeklagten, der Kontrolleur und sein hinzugekommener Kollege hätten sich als Polizei ausgegeben, um das gewaltsame Festhalten gegenüber Schaulustigen zu rechtfertigen, widerspricht der Zeuge.

Tatsächlich sei Ahmet B. nicht verpflichtet gewesen, seinen Ausweis zu zeigen, bestätigt BVG-Kontrolleur Daniel P. Der Angeklagte habe jedoch nicht einmal seinen Namen nennen wollen und sei weggelaufen. Alles andere sei in seiner Erinnerung verblasst.

Nicht nur Daniel P. hat ein schlechtes Gedächtnis. Auch sein Kollege kann sich nicht mehr an viel erinnern. "Es hat Ärger gegeben", sagt er bloß. Der Anklageschrift, wonach Ahmet B. ihn verletzt habe, widerspricht er hingegen, womit sich der Vorwurf der Körperverletzung für die Richterin erledigt hat.

So ist es am Ende auch keine Überraschung, als die zuständigen Richterin den Angeklagten freispricht. Denn auch der Vorwurf des Schwarzfahrens wird widerlegt, als Ahmet B den damals gültigen Fahrschein vorlegen kann. Einzig das starre Beharren des Fahrgastes wird vom Gericht kritisiert.

Ahmet B.s Vorwurf, die BVG-Kontrolleure hätten ihn verletzt und unrechtsmäßig festgehalten, wird in diesem Prozess nicht diskutiert. Der Kontrollierte, nicht der Kontrolleur, sitzt an diesem Tag auf der Anklagebank im Kriminalgericht Berlin.

Das Ermittlungsverfahren gegen die zwei Kontrolleure ist vor einem Monat von der Staatsanwaltschaft eingestellt worden. Ahmed B. hat mit seinem Anwalt gegen diese Entscheidung Beschwerde eingelegt. Ob der Kontrolleur Daniel P. irgendwann selbst angeklagt wird, bleibt abzuwarten.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.