Schöne Aussichten : Schwarze 2009
Satte 1.033.000 Links in 0,28 Sekunden hat Google am Donnerstag, den 1. Januar 2009, auf die Frage „Sieht Berlins Zukunft in diesem Jahr so richtig schwarz aus?“ ausgespuckt. Das muss eigentlich genügen, um – wenn nicht für immer – so doch für die kommenden 365 Tage in tiefe Depressionen hinabzustürzen. Klar, wir werden von der Wirtschaftskrise total erwischt, ein höheres Gehalt, ein neues Haus gibt es nicht, viele Jobs gehen baden, das Wetter wird schlechter, das soziale Klima ebenso und mehr Berliner und Berlinerinnen werden sterben als Neugeborene das Licht der Welt in unserer Stadt erblicken – trotz unserer lieben Mitmenschen mit Migrationshintergrund.
Berlin können wir 2009 also voll vergessen! Die Zukunft wird kohlrabenschwarz. Denn natürlich haben die Untergangspropheten und Kassandras mit ihren Prognosen zur Endzeitstimmung Recht. Man muss sich doch nur drei Dinge angucken, um zu verzweifeln: einmal Heidi Hetzer, deren Opel-Verkäufe wie die Kurven aller Börsenkurse oder manche Mundwinkel in der Berliner Unionsfraktion seit Monaten nur noch nach unten zeigen. Oder die Spender für die barocke Schlossfassade, die wie die Sparer, die ihr Geld bei den Lehman-Brüdern anlegten, jetzt merken, dass ihre Einlage immer weniger wert wird, weil die platte Rekonstruktion für das Humboldt-Forum ständig teurer kommt. Und schließlich die Berliner Busfahrer, die hinter Glas verbannt werden sollen, damit sie nicht immer neue Ohrfeigen von kleinen Kids kassieren, denen das Wort von der Gewaltlosigkeit, der Fahrscheinpflicht oder dem Konsumverzicht einfach nicht einleuchten will.
Reicht das schon oder brauchen wir zur Schwarz-Illustration noch ein paar zusätzliche Indizien und Beweise? Etwa die, dass der Kapitalismus besser gleich als Ganzes zu beerdigen wäre und der Osten doch die bessere Stadthälfte war, wie Manne Krug befindet. Man kann auf diese Negativ-Szenarien abfahren. Der Markt hat versagt, die Stadt geht kaputt, Armut an allen Ecken und Enden, und wenn Pisa wieder 2009 rauskommt, sind wir Berliner wieder die Blödesten von allen Schülern Deutschland- und weltweit. Ergo, wir können nicht anders als nur schwarz in die Zukunft zu blicken.
Darum tun wir’s auch! Und zwar richtig. Ja, es gibt ein Leben im Schwarz und in Schwarz. Schauen wir uns den Markt für schwarze Produkte und Dienstleistungen doch einmal an. Da geht es um eine gute Bilanz von Unternehmen, die, statt in die Kreditklemme zu geraten, nun „schwarze Nullen“ oder „schwarze Zahlen“ schreiben. Das ist gut für das Geschäft und die Arbeitnehmer.
Dann geht es natürlich um Partizipation und Demonstrationskultur – aber auch um Modebewusstsein. Der „Schwarze Block“ auf der 1.-Mai-Kundgebung wird nicht mehr von der Polizei zusammengeprügelt und gejagt, sondern als innovatives und soziales Projekt mit Fördergeldern subventioniert.
Schauen wir 2009 nach Moabit und Wedding: Afrikanische Straße, Kamerunerstraße, Togostraße etc. Der „schwarze Kontinent“ wird in Berlin immer tatkräftiger und setzt auf Wachstumsraten in bisher ungekannter Manier. Afrika-Läden, -Restaurants und -Sprachschulen werden davon nur die Spitze des Eisbergs – pardon Kilimandscharos – sein.
Schließlich wäre da noch die Branche zu nennen, die täglich schwarz auf weiß die neuesten Nachrichten verbreitet: Die Presse – hergestellt mit Druckerschwärze und mit viel schwarzem Humor. Damit das auch so bleibt, wird es die bunten Bilder auf der Seite eins nicht mehr geben, sondern nur noch Schwarz-Weiß-Fotos. ROLA