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Archiv-Artikel

Schwarz wird Grün entgrünen

betr.: „Bürgerliche Bewegung“, taz vom 23. 8. 05

Franz Walter schaut erstaunlich ungenau hin, wenn er als zentrale Begründung einer möglichen schwarz-grünen Koalition deren angeblich „reichliche“ gemeinsame Grundüberzeugungen anführt: „Bewahrung der Schöpfung, Dezentralität, Sparsamkeit, intakte Heimat, gesunde Umwelt“. Erstens finden sich hier bloß drei Gemeinsamkeiten, da Schöpfung, Heimat, Umwelt nur Paraphrasierungen ökologischer Ambitionen sind. Zweitens ist dieser – mit SPD und FDP tatsächlich schwieriger zu erzielende – Konsens auch bloß theoretischer Natur, glänzt doch die Politik der CDU nicht gerade durch bewahrende Konsequenz. Spätestens wenn Umweltschutz finanziert werden soll, steigen die Schwarzen aus.

Dezentralität ist drittens zwar ein Merkmal des Liberalismus, jedoch nicht des Konservatismus, der sich immer für starke zentrale Autoritäten und große Reiche ausgesprochen hat – solange Machtinhaber nicht mit linken Umverteilungsambitionen antraten. Immer dann, wenn der große Kuchen nicht zu haben ist, folgt die klein-nationalistische Abgrenzung à la Bayern, die mit libertär-basisdemokratischen Strukturen nicht das Geringste zu tun hat.

Viertens ist Sparsamkeit als Selbstzweck originär liberales Gedankengut. Grüne sind immer noch zu einem guten Teil KeynesianerInnen. Fünftens kann auch von Milieuähnlichkeiten („Stilsicherheit der Arrivierten“, „Rotweintrinken“) nicht die Rede sein, da einschlägigen Milieumodellen zufolge (Sinus, Sigma) das kleinbürgerliche und traditionell-elitäre Milieu, aus dem sich vor allem die CDU rekrutiert, fast keine Werteüberschneidungen mit dem liberal-intellektuellen, hedonistischen und ferner dem modernen Arbeitnehmermilieu besitzt, das die Grünen speist. Schwarz würde Grün nur noch mehr entgrünen, als Schröder es konnte.

Und – gefährlich, aber wahr – wenn es nach Schnittmengen aus Lebensstil und Grundüberzeugungen ginge, müssten wir eine grün-gelbe Koalition fordern. Hilfe! ANDREAS PETRIK, Hamburg

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