Schwäne und Zigaretten : Am Wasser
Manchmal, wenn das Wetter schön ist, gehe ich zum Landwehrkanal, setze mich ans Ufer, rauche eine Zigarette und gucke den Schwänen beim Betteln zu. Schwäne sind die einzigen Bettler, die noch arroganter sind als die Yuppies, die ihnen ihre Brotkrumen hinwerfen. Ich weiß nicht, was die Leute an Schwänen finden, ich mag die Biester nicht. Schwäne sind garstige Tiere. Als ich drei war, hat mich mal einer gebissen. So etwas hinterlässt Narben in der zarten Kinderseele. Im Kanal fährt eine dieser Touristenbarkassen vorbei. Ich mache mir Hoffnung, dass einer der Schwäne unvorsichtig wird, in die Schiffsschraube gerät und zerhackt wird. Aber das Federvieh ist zu abgebrüht, und so blicke ich traurig auf die kläglichen Reste der Zigarette zwischen meinen Fingern und begutachte den Filter, der schwarz ist vom Teer und den anderen die Hautalterung beschleunigenden Substanzen.
In meiner Tasche habe ich noch ein Stück Brötchen vom Vortag und beginne zu überlegen, ob ich meine Kippe in einem Stück Brot verstecken und an einen der Schwäne verfüttern sollte. Dann kommen mir die mahnenden Worte von Iris, der Ökoterroristin, in den Sinn. „Eine Zigarettenkippe verseucht zehn Liter Trinkwasser“, hat sie gesagt. Ich starre in die braune Berliner Suppe, ein paar Kippen schwimmen vorbei, ein Kondom und anderer Unrat. Ich frage mich, ob es da überhaupt noch etwas zu verseuchen gibt. Dann wird mir klar, dass die Schwäne die ganze Zeit in dieser Brühe vor sich hin paddeln. „Scheiße“, denk ich mir, „die Viecher sind immun.“
Enttäuscht stecke ich meine Kippe in die Jackentasche und überlege noch kurz, was ich mit dem alten Brötchen tun soll. „Selber essen macht dick“, denke ich und werfe es kurzentschlossen in den nächsten Busch. Ich hoffe, die Schwäne werden es dort nicht finden. Lieber füttere ich ein paar Ratten als diese weißen Arschlöcher. HANNES HARTMANN