Schulpolitik: Deutschstunden für Arme
Der Bildungssenator verteilt um: Schulen mit vielen Schülern aus Hartz-IV-Haushalten bekommen künftig zusätzliche Mittel zur Sprachförderung. Gekürzt wird bei Schulen mit hohem Migrantenanteil.
Der Kuchen bleibt der gleiche, doch die Zahl der Eingeladenen wächst - Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) hat am Mittwoch angekündigt, die Mittel zur Sprachförderung an den Schulen neu zu verteilen. Auch Schulen mit einem hohen Anteil von Kindern aus armen Familien können sich künftig aus dem Fördertopf bedienen. Das bedeutet vor allem eine Verbesserung für Schulen im Osten der Stadt, die bisher aufgrund der geringen Anzahl Kinder nichtdeutscher Herkunft keine zusätzlichen Stunden erhielten. Das Gesamtvolumen an Förderstunden wird allerdings nicht erhöht. Schulen mit einem hohen Anteil von Kindern mit ausländischer Muttersprache müssen also abgeben.
Die Umverteilungsaktion ist ein Baustein im neuen System der Lehrerzuweisung. Dasersann Zöllners Verwaltung, um Unterrichts-Lücken schließen zu können, ohne mehr Lehrer einzustellen. Zöllner lobte seine Mitarbeiter: "Das neue Zuweisungssystem ist transparenter und gerechter."
Rund 178.000 Kinder und Jugendliche leben nach Senatsangaben in einer Bedarfsgemeinschaft, also von Hartz IV. "Wir können zusätzliche Förderstunden dringend gebrauchen", meint eine Grundschuldirektorin aus Marzahn. In ihrer Schule ist die Hälfte der Kinder von der Zuzahlung für Bücher befreit, weil die Eltern arbeitslos sind. "Viele Schüler sind sozial verwahrlost, lernschwach und kommen ohne Vorkenntnisse in die Schule." Der Grundschulverband begrüßte, daß Sprachförderung auch für arme Kinder gelten soll. "Die Mittel müssen aber insgesamt erhöht werden, sonst zieht man die Decke immer hin und her", sagte Inge Hirschmann vom Vorstand.
Bildungspolitiker der Opposition kritisieren Zöllners Paket als "Mogelpackung". Grünen-Bildungsexperte Öczan Mutlu meinte, es sei zum Nachteil der Schüler, die Sprachförderung am nötigsten haben: "Besonders SchülerInnen von Schulen in den sogenannten sozialen Brennpunkten der Innenstadt werden die großen Verlierer sein". Die bildungspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion Mieke Senftleben warnte vor Verteilungskämpfen zwischen den Schulen. "Wir brauchen zusätzliche Sprachförderung, doch eine Reform ohne Geld geht in die Hose."
Berlin habe im bundesweiten Vergleich eine gute Lehrerausstattung, betonte Zöllner. "Probleme gibt es nur in der Zuweisung der Lehrer auf die Schulen." Diese erfolgt nach komplizierten Rechenmodellen, die Zöllner nun vereinfachte. So bekommen Schulen Lehrerzeit nun klassenweise zugeteilt, was dazu führt, dass kleine Klassen Zeit gewinnen, die große Klassen abgeben.
Um die Situation zu entspannen, sollen im nächsten Jahr rund 200 zusätzliche Erzieherstellen geschaffen werden. Sie kommen vor allem den 64 Schulen zu Gute, die als Ganztagsschulen bis 16.00 Uhr unterrichten, sowie Schulen, die die Klassen eins und zwei in jahrgangsübergreifenden Gruppen zusammenfassen. Das jahrgangsübergreifende Lernen sollte eigentlich per Gesetz zum 1. September in allen 400 Schulen eingeführt werden, doch viele kündigten an, sich wegen personeller und räumlicher Knappheit zu widersetzen. Zöllner hebt die Verpflichtung nun auf und will mit den Schulen einzeln vereinbaren, wann sie den pädagogischen Fortschritt wagen.
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