Schulinspektionen stellt Mängel fest: Lehrer trotzen schlechten Noten
Der Unterricht an Berliner Schulen hat gravierende Mängel, stellt der Schulinspektionsbericht fest - und das seit Jahren. Verbessert hat sich bislang wenig.
Berliner Lehrer und Schulleiter scheinen resistent gegen schlechte Bewertungen ihres Unterrichts. Das legt der aktuelle Jahresbericht der Schulinspektion nahe, der am Freitag vorgestellt wurde. Wie im vergangenen Jahr stellten die Inspektoren zum Teil erhebliche Mängel in der Unterrichtsqualität fest - vor allem bei Kriterien wie "Medienkompetenz", "selbstständiges Lernen" und "innere Differenzierung". Der Unterricht habe sich im Vergleich zum Vorjahr sogar in fast allen Bereichen verschlechtert, so der Landeselternausschuss. "Die Schulen bewegen sich nicht", kritisiert der Vorsitzende, André Schindler.
"Es wäre eine Illusion, zu glauben, dass innerhalb eines Jahres eine Veränderung stattfindet", sagt der Referatsleiter Schulinspektion, Axel Friede. Seit vier Jahren führen seine Mitarbeiter der Bildungsverwaltung die Inspektionen durch. Für den Bericht besuchten sie im vergangenen Schuljahr an je zwei Tagen den Unterricht an 152 Schulen aus allen Bezirken und führten Interviews mit Lehrern und Schulleitern. Insgesamt evaluierten die Inspektoren und Inspektorinnen bereits 470 und damit die Hälfte aller Schulen. Bis Ende Sommer 2011 soll jede Schule einmal besucht worden sein.
Es gebe keinen Druck auf die Schulen, sich zu verbessern, kritisiert Schindler. Denn die Inspektionen bleiben in den meisten Fällen ohne Konsequenzen. Dabei sind Sprach- und Kommunikationsförderung und die Beteiligung von Eltern und Schülern bei rund der Hälfte der Schulen mangelhaft. "Auch moderne Unterrichtsmethoden werden von den Lehrern schlecht angenommen", sagt Friede.
Es sei in der Tat schwierig, Schulen zu Veränderungen zu bewegen, sagt Britta Schmittke von ProSchul. Lediglich solche, die im vergangenen Bericht besonders schlecht abschnitten, seien dazu bereit. Die Schulrätin begleitet zusammen mit fünf Kollegen in einer Art "Unternehmensberatung", wie sie sagt, derzeit fünf Schulen. Auch viele andere hätten allerdings Entwicklungsbedarf. Doch die Akzeptanz einer freiwilligen Beratung sei bei vielen sehr gering.
Bei den von ihr betreuten Schulen handele es sich meist um solche, die mehrfache Fusionen hinter sich hätten und deren Hauptproblem die Schulleitung sei. "Das ist schwerste Steinbrucharbeit", sagt Schmittke. Die Lehrer hätten sich in dem System eingerichtet und Ängste entwickelt. "Diese Strukturen aufzubrechen ist ganz schwierig." Die Leidtragenden sind die Schüler und ihr Unterricht.
Für André Schindler vom Landeselternausschuss liegt das Problem allerdings nicht nur beim Personal, sondern auch in der Art der Schulinspektion selbst. Viel zu vorsichtig und umsichtig würde diese mit den Lehrern umgehen. "Wir fordern einen knallharten Umgang und personelle Konsequenzen. Schließlich gehe es nicht um das Wohlfühlen der Lehrer, sondern um die Verantwortung gegenüber den Schülern."
Ein Grund für das Verpuffen so mancher Inspektion dürfte auch sein, dass die Ergebnisse nicht im Detail an die Öffentlichkeit gelangen. Zwar würde jede Schule einen Einzelbericht erhalten und diesen auf einer internen Konferenz vorstellen, sagt Schulinspektor Friede; aber nur jede dritte Schule veröffentlicht den Bericht von sich aus. Die Bildungsverwaltung lehnt es ab, alle Berichte freizugeben.
Schulinspektor Friede ist schon froh, dass seine Unterrichtsbesuche überhaupt angenommen werden. "Wir verbuchen es als ganz besonderen Erfolg, dass die Inspektionen ein Stück weit Normalität geworden sind", sagt er. Viele Schulen hätten anfangs Angst vor Ranking und einer Notenbewertung gehabt. Schließlich, so das Argument, gebe es ganz unterschiedliche Voraussetzungen. Doch da geht es den Lehrern ja nicht anders als den Schülern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste