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Archiv-Artikel

Schützende „Nische“

betr.: „Die Glückliche“ von Marco Eisenack, taz vom 17. 11. 04

„Das eigene Erleben steht für Hülya auch im völligen Widerspruch zum ‚Klischeebild‘ der unterdrückten Muslima. Sie fühle sich im Islam als Frau viel wohler als in der westlichen Kultur, wo die Frau nur noch als Sexsymbol vermarktet werde.“

Eigenes Erleben steht wahrscheinlich meistens im Widerspruch zu Klischeebildern. Mein eigenes Erleben als westliche Nichtmuslima steht zum Beispiel im völligen Widerspruch zum Klischeebild der „westlichen Kultur, wo die Frau nur noch als Sexsymbol vermarktet“ wird. ALMUT STECKEL, Emmelshausen

Der Weg von Hülya Kandemir ist das traurige Produkt eines Gesellschaftssystems, in dem sich jeder selbst der Nächste ist. Traurig deshalb, weil Religion eben nicht nur Gemeinschaft bildet und „Aufgehobensein“ suggeriert, sondern allzu leicht zur Ideologie werden kann. Ich wage die These, dass vom religiösen Standpunkt Akzeptanz und Anerkennung in zwischenmenschlichen Beziehungen nicht unbedingt einfacher und wahrscheinlicher wird, da sich Religion gerade auch in Abgrenzung konstituiert.

Hoffnungsvoller wäre dagegen die Suche nach dem Verbindenden. Im Hinblick auf die „soziale Kälte“ dieser Zeit kann womöglich auch ein Diskurs um die Verantwortung des Menschen für den bzw. die „anderen“, als Teil einer Gesellschaft, Wege aufzeigen. Bequemer ist sicherlich die schützende „Nische“ in der Gesellschaft, doch wird die Welt auf diese Weise auch im Kleinen gestaltet? All jenes macht die Haltung Hülya Kandemirs für mich so schmerzlich. Gleichwohl ist dieser, ihr Weg völlig legitim! Er ist nicht mehr und nicht weniger als die Suche eines Menschen nach einer „besseren Welt“.

ROMY REIMER, Hamburg