Schriftsteller Rafael Chirbes: Sterbende Hoffnungen
Rafael Chirbes hatte einen kritischen bis unerbittlichen Blick auf das Spanien der Gegenwart. Nun ist er 66-jährig gestorben.

In der Trilogie befasst sich Chirbes mit der Zeit des Franco-Regimes, dem Ende der Diktatur und dem Übergang zur Demokratie. Als Student hatte er sich in einer linken Gruppe im Kampf gegen das Franco-Regime engagiert. Er wurde festgenommen und monatelang inhaftiert. Kritisch bis unerbittlich blieb sein Blick auf das Spanien der Gegenwart. Sein Roman „Krematorium“ (2007) handelt vom Bauboom, der Zerstörung von Naturlandschaften und der Korruption in der Zeit vor dem Platzen der „Immobilienblase“. Sein darauffolgendes Werk „Am Ufer“ (2013) knüpft unmittelbar daran an und schildert ein Land in Katerstimmung, in dem die Wirtschafts- und Finanzkrise dem Boom ein jähes Ende bereitet hat.
Aber nicht nur als moralische Instanz, auch literarisch war Rafael Chirbes ein Schwergewicht. Er beherrschte die Technik, seine ausufernden Stoffe zu einer Art Sinfonie zu arrangieren, bei der nacheinander die verschiedenen Stimmen einsetzen, sich ergänzen und sich widersprechen. In „Alte Freunde“ erzählen die einzelnen Kapiteln jeweils unterschiedliche Ich-Erzähler. Jedes Kapitel wird zu einer kurzen Erzählung – aber jeder einzelne dieser Monologe wartet doch auch auf seine Ergänzung in dem folgenden.
Die Perspektivierung der Geschehnisse ist Programm: Es gibt eben nicht die richtige Sicht auf die Dinge, es gibt nur viele verschiedene Versuche, sie sich zurechtzulegen und sie so erträglich zu machen. So entsteht ein Stimmengewirr aus Lebenslügen und Geschichtsklitterungen, und das Schlimme ist, dass bei Chirbes jeder der Beteiligten das auch weiß.
So wie die Fische im Sumpf und der menschliche Leib, „so sterben auch die Hoffnungen und stinken dann, verpesten die Umwelt“, heißt es in dem Roman „Am Ufer“. Zuletzt lebte Rafael Chirbes zurückgezogen an der spanischen Mittelmeerküste in dem Dorf Beniarbeig nördlich von Alicante.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!