piwik no script img

Schon wieder ein BörsenknickSteigende Inflation drückt die Kurse

In aller Welt brechen die Börsenkurse ein. Die Inflation wächst weltweit, in Deutschland ist sie so hoch wie seit 15 Jahren nicht mehr. Trotzdem: Eine Rezession droht nicht.

Weithin sichtbare Inflation. Bild: ap

Es war kein Ausrutscher, als am Donnerstag in aller Welt die Aktienkurse in die Knie gingen - an der Wall Street um 3, in Frankfurt um 2,4 und in London um1,7 Prozent. Am Freitag setzte sich der Schwächeanfall fort. Die Börse in Schanghai verlor 5 Prozent, Hongkong, Tokio und Seoul 2 Prozent. Der Deutsche Aktienindex DAX sank anfangs um weitere 1,7 Prozent, ehe er sich im Laufe des Tages wieder fing.

"Es gibt einfach verdammt viele schlechte Nachrichten", stöhnte ein Analyst in Hongkong. Da war zum Beispiel die deutsche Hypothekenbank Hypo Real Estate, deren Anteilseigner geradezu Schlange standen, um ihre Aktien an einen US-Investor zu verkaufen. Oder die niederländische Bank Fortis, die dringend neues Kapital braucht und dafür unter anderem ihren Aktionären die Dividende streicht. Oder der Autohersteller Chrysler, der einen Milliardenkredit vom Ex-Mutterkonzern Daimler abrief und sich daraufhin Gerüchten über einen bevorstehenden Konkurs ausgesetzt sah. Oder die US-Riesenbank Citigroup, deren Aktien von den Analysten der Investmentbank Goldman Sachs auf "Verkaufen" gesetzt wurden, was wiederum Befürchtungen neue Nahrung gab, die Finanzkrise vom vergangenen Sommer sei doch nicht ausgestanden.

Zu all den einzelnen Meldungen kommt eine übergreifende Sorge hinzu: Inflation. Wie das Statistische Bundesamt am Freitag mitteilte, betrug die Jahresinflation im Juni 3,3 Prozent - der höchste Wert seit fast 15 Jahren. Noch höher ist die Teuerungsrate in den USA, wo sie zuletzt bei 4 Prozent lag. Für den ostasiatischen Raum sagen Volkswirte in diesem Jahr eine Preissteigerung um gar 6 Prozent vorher. Schuld ist vor allem das Öl, das nicht nur Benzin und Heizöl teurer werden lässt, sondern auch viele andere Waren, nicht zuletzt auch Nahrungsmittel. Am Freitag meldete die deutsche Mineralölwirtschaft neue Höchstmarken: Ein Liter Benzin kostete in Deutschland durchschnittlich 1,58 Euro, ein Liter Diesel 1,53 Euro.

Zuvor hatten Börsianer mit Entsetzen zugesehen, wie am Freitagmorgen der Preis für das Barrel (159 Liter) zügig über 142 Dollar geklettert war, nachdem er erst am Vortag erstmals auf 140 Dollar gestiegen war. Die Aktien des US-Automobilkonzerns General Motors fielen derweil auf den Stand von 1974 zurück, als gerade die erste Ölkrise über die Welt hereinbrach. Und auch jetzt ist es wieder das teure Öl, das Investoren am Geschäftsmodell des Herstellers und seiner Megakarossen zweifeln lässt.

Nicht nur den Automobilherstellern bereitet die hohe Inflationsrate Schwierigkeiten. Die Verbraucher halten sich mit ihren Konsumausgaben zurück, denn ihre Löhne sind längst nicht so schnell gestiegen wie die Preise. Die schwache Nachfrage schwächt dann wiederum die Konjunktur. Richtig besorgt sind die Notenbanker. Die Europäische Zentralbank hat schon angedeutet, dass sie zur Inflationsbekämpfung nächste Woche die Zinsen erhöhen will, und die US-Notenbank ist zumindest von ihrem bisherigen Zinssenkungskurs abgekehrt. Die wahrscheinliche Folge, wenn die Kredite auf diese Weise verteuert werden: Die Konjunktur gerät noch stärker unter Druck. Nicht nur in den USA flammt wieder die Angst vor einer Rezession auf. "Es könnte durchaus noch schlechter werden, bevor es wieder besser wird", sagte eine Fondsmanagerin der Allianz-Tochter RCM im US-Fernsehen. "Die Sorgen über Wachstum, Ölpreise und Inflation nehmen zu, und die Zinsentwicklung wird dabei nicht helfen."

Dennoch dürfen sich ein paar Firmen über diese Entwicklungen freuen. Gestern fand in Frankfurt der bislang größte Börsengang des Jahres statt. Der Solartechnikhersteller SMA brachte seine Aktien zum Ausgabepreis von 47 Euro an die Börse. Beim Mittagessen notierte die Aktie schon bei 53 Euro, ein Plus von 13 Prozent.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!