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Schirm & ChiffreData-Surviver

■ Bye, bye, Digit6lien oder Wie einen das Netz und die Info-Inflation mitunter erschöpfen können

Professor Abel (TU) sagte einmal, jedes ENDE ist ein SCHLUSS, aber nicht jeder SCHLUSS ist ein ENDE. Punkt. Vom Tiefsinn zum Sinntief: Dies ist mein letzter Beitrag zu dieser Rubrik.

Viel zu viele Stunden habe ich jetzt am Stück im Netz gehangen, bin durch die Verzweigungen unzähliger Hypertexte geschlittert, habe Tausende von Schmuddelbildchen downgeladen und ungezählte Chat-Runden bestritten. Das zehrt. Zuzüglich der Abende, die ich in irgendwelchen Telefon- Pools und mit Programmbeobachtungenauftrag vor dem Fernseher zugebracht habe. Der Info- Inflation schutzlos ausgesetzt. Auch das schlägt auf die Konstitution. Schwächt das Gehirn. Ganz klar. ;-) Und hinterläßt natürlich Spuren. Dabei reicht viel weniger, um den Verstand zu verlieren. In Kentucky zum Beispiel ist ein dreizehnjähriges Mädchen wegen einer e-mail-Bekanntschaft von zu Hause ausgebüxt. Die kleine Tara verschwand am 30. Mai, zwei Monate nachdem sie einen Computer geschenkt bekommen hatte. Nach vierzehn Tagen wurde sie von der Polizei in Hollywood aufgegriffen. :-0 So gefährlich können Neue Medien sein. Also Vorsicht beim Computerkauf!

By the way ... Von derartigen Kalamitäten ungerührt, hält die Burda-Gruppe an ihren verderblichen Plänen fest. Sie will hierzulande spezielle Computer-Lehranstalten aufbauen. In diesen sogenannten Futurekids-Klippschulen sollen die Kleinen „spielerisch-kreativ“ an digitale Kommunikationstechniken herangeführt werden.

Ist das die von Professor Glotz (SPD) geforderte „Kehre von der Programmkontrolle zum Rezipienten-Training“? – Wenn Sie mich fragen: Hier wird eine ganze Generation systematisch in den digitalen Abgrund getrieben... :-D

Aber allen Unkenrufen zum trotz, hier spricht ein Data-Surviver. Gestern habe ich die Verbindung zum Internet gekappt und meinen Btx-Anschluß gekündigt. Den Scall-Pager möchte ich dem verehrten Helmut Höge vermachen. Die Satellitenschüssel hat mir die Elektro-Mafia schon vor Wochen vom Dach geklaut. Das Notebook – das gelobe ich hier feierlich – werde ich nur noch für Textverarbeitung und die Steuererklärung einsetzen. Kurzum: Meine Freundin will von ihren Trennungsabsichten noch einmal Abstand nehmen.

25 Kolumnen habe ich geschrieben. Drei davon sind – das ist der Alltag – in grob verstümmelter Form erschienen. Eine hat die Redaktion glatt unterschlagen. Zwei waren uninspiriert. Eine stammt von einem Ghostwriter. Kein einziger Leserbrief kam bisher. Keine Einladung zu irgendwelchen Kongressen. Gegendarstellungsklagen auch nicht. ;-)

Natürlich hat es auch Spaß gemacht. Und leben muß man sowieso. Ähem ... bleibt nicht mehr viel zu sagen. Mein herzlicher Dank gilt Herrn Rumpel (FU), der mich vergebens, aber rechtzeitig vor der Computerei gewarnt hatte. Vor allem aber den LeserInnen, die mich unerschrocken auf den Irrfahrten durch Digitalien begleitet haben. Alle übrigen seien auf die taz- CD-ROM (Abo-Prämie) verwiesen. Alles Gute wünscht (auch den nachfolgenden AutorInnen dieser Rubrik) SCHLUSSENDLICH: -x Martin Muser

Wir danken unserem Autor für die viertelhundert Dienste am Schirm, die ihn leider sukzessive und offenbar endgültig zu den alten Medien zurückgetrieben haben. Dennoch: Die Rubrik wird natürlich weitergeführt. An dieser Stelle wird es in den nächsten Wochen und Monaten also weiterhin um alte und vor allem neue „Medien in Berlin“ gehen.

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