Scheingewinne in der Solarbranche: Visionen in der Wüste

Während viele Unternehmen kriseln, verbreitet der Ex-Atommanager Utz Claassen bei Solar Millennium Optimismus. Doch die Bilanz wirft Fragen auf.

Zwei Parabolrinnen-Kraftwerke hat die Solar Millennium AG schon in Andalusien gebaut. Bild: dpa

MÜNCHEN taz | Nach eineinhalb Stunden schwebt Utz Claassen mit seinen Visionen davon. Er redet nicht mehr von Kraftwerken und Personalmanagement, sondern von der Mondlandung. Da sei es, "mit einer Technologie der 60er-Jahre", gelungen, einen Menschen auf den Mond zu bringen, schwelgt der Vorstandschef, "mit einer Rechenleistung kleiner als in jedem Smartphone", weil es eine Vision gegeben habe. Claassen sagt: "Wenn der Wille da ist, dann muss es auch möglich sein, Solarenergie aus Nordafrika zu importieren."

Claassen, 46, ließ bis 2007 als Chef des drittgrößten deutschen Energieproduzenten EnBW Kohlekraftwerke bauen und polterte für längere AKW-Laufzeiten. Dann tauchte er ab, stritt sich vor Gericht mit EnBW über seine Millionenrente und heuerte zu Jahresbeginn als Vorstandschef bei einer mittelständischen Solarfirma im fränkischen Erlangen an. Die Solar Millennium AG, spezialisiert auf solarthermische Parabolrinnen-Kraftwerke, hat selbst nach der optimistischsten Rechnung nur 181 Mitarbeiter. Doch bei Claassens erstem großen Auftritt als Solar-Manager präsentierte sein neuer Arbeitgeber Zahlen, von denen der Rest der Solarbranche derzeit nur träumen kann.

Einen Umsatz von 201,3 Millionen Euro, 529 Prozent Steigerung zum Vorjahr, ein Plus beim Vorsteuer-Gewinn von 282 Prozent weist Solar Millennium aus. Die Solarbranche hat derzeit mit einem massiven Preisverfall zu kämpfen. Am Donnerstag meldete der schwäbische Solar-Anlagenbauer Centrotherm einen Gewinnrückgang von drei Millionen Euro vor Steuern. Das Fotovoltaik-Unternehmen Solarworld hatte gestern an der Börse mit Kursverlusten über sieben Prozent zu kämpfen, so sehr schreckten die aktuellen Bilanzdaten – ein Gewinn-Einbruch von über 40 Prozent zum Vorjahr – die Anleger.

Bei Utz Claassens Präsentation in einem Münchner Luxus-Hotel wirken solche Schlechte-Laune-Nachrichten weit weg. Claassen hat abgenommen und erzählt vergnügt von seiner 85-jährigen Mutter in Hannover. Die hätte bei ihrer Bridge-Runde früher immer viel Kritik einstecken müssen, weil ihr Sohn sein Geld mit Atomkraft verdiente. "Heute kriegt sie positive Kommentare", meint Claassen.

Auf der Leinwand hinter ihm läuft ein Werbefilm von Solar Millennium. Gezeigt werden Landschaften in China, den USA und Abu Dhabi, Projektmanager und Projektberater, aber nur zwei echte Solaranlagen. Solar Millenium hat große Pläne und Visionen. Gebaut hat die Firma aber erst zwei solarthermische Kraftwerke im südspanischen Granada, Andasol 1 und Andasol 2. Andasol 3 soll 2011 in Betrieb gehen.

Und bei genauerer Betrachtung erscheint die Jahresbilanz von Solar Millenium weitaus weniger strahlend, als es die Umsatzzahlen glauben machen. Der Cash-Flow des Unternehmens ist negativ, ein Minus von 27,4 Millionen Euro im vergangenen Geschäftsjahr. Die Wirtschaftswoche berichtet, Solar Millennium erziele einen Großteil seiner Umsätze nur innerhalb seines eigenen Konzerngeflechts, dank geschickter Buchführung.

Im November verkaufte die Firma einen Fünfzig-Prozent-Anteil an einem geplanten Kraftwerkprojekt an eine "Ibersol Kraftwerks GmbH". Die gehört zu 50 Prozent Solar Millenium selbst und zu 50 Prozent einer "Cross Capital AG" im Kanton Zug; wer dahintersteckt, will der Finanzvorstand von Solar Millennium nicht sagen. Dafür erzählt Utz Claassen von seinen Visionen. Er sagt: "Als ausdrücklicher Freund der Kernenergie bin ich überzeugt: Große Solarkraftwerke werden einst an die Stelle von Kernkraftwerken treten."

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