■ Scheibengericht: Tom Waits
The Black Rider (Island 74321 168222)
Tom Waits ist ein Schauspieler nicht nur auf der Leinwand, auch in seiner Musik – wobei ihn vor allem Gestalten vom Rande der Gesellschaft interessieren. In der Rolle des Drop-out von der Straße oder des Verlierers aus dem Schmuddelmilieu macht er sich immer noch am besten. Im Eröffnungslied seiner aktuellen Platte mimt er einen Jahrmarktschreier, der lauthals Rummelplatzbesucher in „Harry's Harbour Bizarre“ zu bugsieren versucht, ein menschliches Skurrilitätenkabinett, wo dreiköpfige Babys, die Affenfrau und Jojo, der Junge mit dem Hundegesicht et cetera den Besuchern wohlige Schauer bereiten. Ursprünglich war der Song als Ouvertüre zu Robert Wilsons Musiktheater „The Black Rider“ (Text: William Burroughs) entstanden, das 1990 im Hamburger Thalia- Theater uraufgeführt wurde und dem auch alle anderen Titel der Platte entstammen.
Zurück in Kalifornien, hat Waits die Hälfte des Materials noch einmal neu aufgenommen – diesmal mit eigener Stimme und einer anderen Band. Deshalb werden seine suggestiven Gesänge einmal vom Hamburger „Black Rider Orchester“ begleitet, ein andermal von der „Devil's Rhubato Band“ aus San Francisco, was der klanglichen Vielfalt ganz gut bekommt, denn neben seinem eindringlichen Gebrüll sind es vor allem die originellen Arrangements seines Kollegen Greg Cohen, die den Waits-Sound noch einmal interessant machen. Ohne die traditionelle Songstruktur auch nur ein einziges Mal zu verlassen, ist die Orchestrierung denkbar kühn.
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