■ Scheibengericht: Bernd Begemann
„Jetzt bist du in Talkshows“ (Rothenburgsort Rec. / EFA)
Der Fachhandel führt Bernd Begemann zwischen Ernst Busch und Roberto Blanco unter „Deutsche Interpreten“, Blumfeld jedoch unter „Independent“. Die – sage ich – geschlossene Jungensmusik von Blumfeld, Tilman Rossmy oder auch Tocotronic gewährt Hobbygärtnerinnen wie mir wenig Zugang.
Bernd Begemanns Songs hingegen leben in einer metageschlechtlichen juvenilen Interzone. Das Beste an Begemann ist die romantobrutale Auflösung von Sinnblöcken. Ob nun der globale Konzept- Zweifel sein häßliches Haupt erhebt wie in „Vielleicht hatten deine Eltern recht“ und „Du wirst dich schämen für deinen Ziegenbart“, oder ob das knallharte Erwachsenenleben an die Tür klopft wie in „Hans Meiser schickt mich“ – die Gretchenfrage gibt's inklusive: „Was ist authentisch?“
Ungerechterweise hat Bernd Begemann „Kein Glück im Osten“, zweihundert Mark und tausend Kilometer verfährt er umsonst, nur um von einem so gut wie nicht erschienenen Publikum abgelehnt zu werden: „Wir haben hier unsere eigenen Gruppen!“ Begemann: „Ich bin keine Gruppe!“, aber „rächt euch ruhig an mir / dafür daß euch Wessis vor mir abgezockt und fertiggemacht“ haben.
Hin und wieder unterlaufen Hindemith-ähnliche Einsprengsel das Sentimentale der Songs und verstärken dabei die Melancholie, manchmal wird Begemann auch zum besseren Wiedergänger Bulli Buhlans („Zweimal 2. Wahl“). Auf Theorien von Regionalismus und Segmentierung im Pop gibt es für den Mann im Satin-Pyjama nur eine Entgegnung: die REM-Mandolinen in „Bad Salzuflen weltweit“ – natürlich nicht als Forderung, sondern als Feststellung verstanden. Kritische Jugendkultur ist in diesem Kontext durchaus machbar: „Ich singe ,Scham‘ und ihr antwortet ,Schande‘ – kriegt ihr das hin?“
Begemann ist groß. Begemann macht glücklich. Er ist „der Typ, der immer zurückkehrt“, nanananana. Glotzt gefälligst nicht so romantisch.
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