■ Scheibengericht: Percussion Art Quartett
X-Pression
Thorofon-Classics CTH 2290
Die Uraufführung endete im Tumult. Das Publikum schäumte, die Kritiker waren entrüstet. Von „Klangferkeleien“ war die Rede. „Ionisation“ hieß das Stück, das im Jahr 1930 den Eklat auslöste. Der Komponist Edgar Varèse hatte das Werk ausschließlich für Schlagwerk konzipiert, um auf diese Weise das tonale System aus den Angeln zu heben.
Die umstrittene Komposition gilt heute als Startpunkt einer eigenständigen Schlagzeug-Tradition in der Neuen Musik, die später von Gruppen wie Les Percussions de Strasbourg oder Nexus aus Kanada weitergeführt wurde. Das Percussion Art Quartett ist ein junges Ensemble aus der Bundesrepublik, das sich innerhalb kurzer Zeit einen superben Ruf ertrommelt hat. Fünf Kompositionen werden auf der aktuellen Produktion mit beeindruckender Plastizität und Dynamik in Szene gesetzt. Der knapp 15minütige „Bolero“ von Richard Trythall ist eine spannungsgeladene Auseinandersetzung mit dem großen Vorbild von Ravel.
Der uhrwerkartige Rhythmus wird mit Raffinesse variiert, und widerläufige Trommelmuster schichten sich zu komplexen polyrhythmischen Gegenbewegungen auf, deren Intensität erst durch die langgezogenen Klangschwebungen von Alfred Schnittkes „Quartett für Schlagzeug“ ausbalanciert wird, wo mit Röhrenglocken und Marimbaphonen nach dem Ruhepol im Trommelstakkato gesucht wird. Im Kontrast dazu läßt der Australier Peter Sculthorpe mit „Regenmacher“ und Windblechen eine uralte Aborigine-Melodie zu einem flirrenden Strom Minimalmusik anschwellen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen