piwik no script img

■ Schade: Maxim Biller verwettete seine „Zeit-Magazin“-KolumneAbschied von Billerbü

Jeden Donnerstag schlage ich voller Hoffnung das Zeit-Magazin auf. Wenn ich Glück habe, kann ich den Schlager „Heut' kleb' isch den Maxim's...“ anstimmen, schnappe mir gleich zehn von ihnen und ordne sie alle in meinen Ordner ein. „Sie“ – die Kolumnen des Maxim Biller.

Ich liebe es, wenn er die Literaturkritik darüber belehrt, warum sie Verantwortung für uns alle trägt. Und ich liebe es, wenn er Christoph Schlingensief als Dilettanten bebellt oder intellektuelle, deutsche Fußballfans als Nationalisten enttarnt. Immer schmäht er billerböse den Kulturbetrieb, nie jedoch um der bloßen Schmähung wegen und nie zu böse, weshalb man ihn durchaus „Hochglanzheft-Campino“ heißen darf und weshalb Gustav Seibt dem tapferen Schreiberlein wohl ohne Gewissensbisse ein Nachwort in die Erzählung „Harlem Holocaust“ jubelte.

Immer auch mahnt Biller die gesellschaftlichen Grundregeln an. Dabei kommt er, selbst wenn er beim Wachstum seiner Brusthaare beginnt, – wie sonntags der Pfarrer von der Sonnenbrille zum lieben Gott – am Ende garantiert auf Hitler und den Nationalsozialismus, um den häßlichen Deutschen leichten Wortes an seine Vergangenheit zu erinnern. Ja, weil ich schon vor dem Lesen seiner Texte weiß, wohin Biller seine Schäflein führt, liebe ich ihn.

Nur einen Benimm-Biller habe ich nicht verstanden, als er nämlich etwas über einen „hübschen Kerl von dem Foto da oben rechts“ schrieb. Denn: Da war nur ein unrasierter Half-Skin abgedruckt, dem man einen fähigen Typberater wünscht, und das nicht nur, weil er mit einem von der Stirn zum Hinterkopf gezogenen Strich aussähe wie ein grinsender Piller mit Brille.

Schade jedoch, daß er nun aufhören will, mein Billerbuch-Autor zu sein. Sie haben richtig gelesen: Maxim Biller kündigte letzte Woche an, das Kolumnieren aufzugeben – in der knall-harten Kuschel- Kolumne über die „Jungen Wilden, die Hoffnungsträger der CDU“.

Zunächst bettet er zwar wie gewohnt seine Leser sanft auf das gemütliche Sofa der eigenen Vorurteile und wickelt sie in eine flauschige Decke, gewebt aus den Fäden des schon tausend-und-einmal Gesagten. Dabei summt er eine einlullende Litanei-ei-ei aus Acryl- Adjektiven.

Plötzlich piekst er jedoch – vorsichtig, ich bin so kitzelig – mit seinem mahnenden Zeigefinger um sich und weist darauf hin, daß es nur eine „Frage der Zeit und der rot-grünen Disziplinlosigkeit“ sei, wann die CDU-Wilden „ganz oben angekommen sein werden“. Und dann klatscht er einem den weckenden Eimer kalten Wassers mitten ins Gesicht: „Daß die Schreckensherrschaft der öden, verlogenen Durchschnittlichkeit (...), die sie am Tag ihres lahmen Triumphes errichten werden, furchtbar sein wird, darauf verwette ich meine Kolumne.“

Schon in vier Jahren, im Falle eines konstruktiven Mißtrauensantrags vielleicht auch schon ein bißchen eher, könnte im Zeit-Magazin stehen: „Nie wieder steht hier Maxim Billers Kolumne der bunten, ehrlichen Überdurchschnittlichkeit. Er wettete...“ Wie leer wäre die Welt. Nie wieder gepflegte Moral und angepaßte Ausgewogenheit. Nie wieder Menschen vor Bahnhöfen, in ihren Händen den Wachturm „Wir Kinder von Billerbü“. Nie wieder ein pädagogischer Klaps mit dem Historio- Baseballschläger und in alle Ewigkeit der unerfüllte Wunsch: Tu mir weh, gib mir Tiernamen; ich bin ein Nazi-Abkömmling; bitte, Biller, beißel mich.

Ein Gutes birgt seine schon heute verlorene Wette indes in sich: Nie waren sie so wertvoll wie morgen – sie, meine Abzieh-Billers zum Tauschen, Sammeln und Einkleben. Björn Blaschke

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen