Saufen mit Niveau – nur mit welchem?

■ Aus der alljährlichen Fressmeile soll ein echtes Viertelfest werden, das die kulturellen Qualitäten des Stadtteils präsentiert: Der aktuelle Veranstalter fürchtet ein „Rentnerfest“.

Das Viertelfest soll anders werden. „Besser“, sagt Ortsamtsleiter Robert Bücking. Die alljährliche Fress- und Saufmeile nerve die Viertelbewohner und -bewohnerinnen, sagt Bücking und mit ihm der Beirat. „Es wird immer anspruchsloser“, beschreibt der Ortsamtsleiter diese „Tendenz zum Downgrading“. Was auch logisch sei angesichts der Tatsache, dass das Viertelfest, organisiert von der Agentur Spirit Parcs, ohne öffentliches Geld steigen muss. „Wir gehen vor dem Erfolg dieses Festes in die Knie“, konstatiert Bücking, dabei gebe es seit langem Ideen, das Viertel als sehr spezielles Quartier Bremens wieder mehr in den Vordergrund zu rücken.

Deshalb hat der Beirat – gegen die Stimmen der CDU-Beiräte – beschlossen, dass von nun an alles anders werde: Das Viertel- soll zum Kulturfest werden. Und so soll das rituelle Fressensaufenpissen Auswärtiger in diesem Jahr erst mal ausfallen – Begründung: Straßenarbeiten auf der Kulturmeile – und die Zusammenlegung von La Strada, dem Tag der offenen Tür im Goethetheater sowie dem 200-jährigen Bestehen der Wallanlagen auf das Wochenende vom 9. September einen Vorgeschmack auf ein neues, anderes Fest geben.

Robert Bücking spricht bereits von einem Konzept; Stephan Pleyn vom Kontorhaus, der das Straßentheaterfestival La Strada und damit in diesem Jahr die gewünschte Alternative organisiert, versteht sich und seine Ideen für dieses Jahr nicht als Konkurrenz zum Viertelfest. „Aber wir müssen hinnehmen, als solche gehandelt zu werden.“

La Strada als Spielball der Interessen – den Carsten Sydow von Spirit Parcs sofort pariert. Er fürchtet, dass durch das Ausbooten seiner Agentur neue Veranstalter ins Rennen kommen, die die „eingeführte Veranstaltung“ Viertelfest abschöpfen. Und den Vorwurf, das Fest in seiner jetzigen Form sei kulturarm, weist er zurück: Es gebe genügend Kulturelemente, man müsse sie nur wahrnehmen. Aber „es ist unter Umständen eine andere Kultur, die Herr Bücking sich vorstellt.“ Er vermutet hinter dem Kulturargument anderes, nämlich „vielleicht die Idee, das Ganze zu veraltern, ruhiger zu machen.“ Noch einfacher: „Die Alt-68er haben sich hier Häuser gekauft und wollen ihre Ruhe haben.“ Aber er könne nun mal kein „Rentnerfest“ veranstalten, denn „das wird nicht wahrgenommen.“

Von einem Rentnerfest ist Robert Bücking weit entfernt. Ja, es gebe haufenweise Anwohnerbeschwerden, „aber wir wollen nicht zum Dorf zurück“ und ein bisschen Lärm und Trubel seien auszuhalten. „Es geht uns nicht um die Ruhe im Viertel, sondern um eine neue Qualität.“ Das Viertel sei nun mal „Brutofen für Erfindungen kultureller Art“, aber man habe das Gefühl, dieser exklusive Status sei verbraucht. Was übrigens auch Sydow findet, und das Argument für seinen breiten Kulturbegriff nutzt.

Wer entscheidet schließlich über das Viertelfest? „Wir“, sagt Bü-cking für den Beirat und verweist auf Paragraph 7 des Beiratsgesetzes, der lautet: „Der Beirat entscheidet über die Organisation und Durchführung von Gemeinschaftsveranstaltungen im Stadtteil.“ Die genehmigende Behörde ist aber das Stadtamt, schlussendlich der Innensenator. Bücking sieht seine Position als „rechtlich solide“, was Carsten Sydow überhaupt nicht findet. Nach Meinung des Spirit-Parcs-Geschäftsführers ist das Viertelfest längst zur Großveranstaltung geworden, die besagter Paragraph nicht mehr umfasse.

Joachim Becker, stellvertretender Leiter des Stadtamtes, hält sich bedeckt. Natürlich werde man die Beiratsmeinung berücksichtigen, soweit sie nachvollziehbar sei, und generell liefen Konflikte wie diese auf Verhandlungen auf einer „vernünftigen Kompromissebene“ hinaus. Mehr könne er dazu nicht sagen. sgi