Sarrazin und die Rechten: Hoffen auf den Hexer
Die "Junge Freiheit" ringt um Abos. Neukunden will sie nun Thilo Sarrazins Verkaufsschlager "Deutschland schafft sich ab" kostenlos hinterherschmeißen.
BERLIN taz | Die taz freut sich immer über Post von Dieter Stein. Der ist Chefredakteur der Rechtsaußen-Wochenzeitung Junge Freiheit (JF), ringt um Abos und hat endlich auch einen neuen Mitstreiter: Thilo Sarrazin.
Nein, der wird nicht Wirtschaftsressortleiter des Blattes, dafür ist Sarrazin zu intelligent. Allerdings passt die in seinem Buch "Deutschland schafft sich ab" geübte populistische Bauernfängerei prima zum angeblichen Intellekt der JF.
Die schreibt uns nun: "Sehr geehrte Damen und Herren, am 4. April 1775, also vor 235 Jahren, wurde in Kempten im Allgäu hierzulande zuletzt einer angeblichen Hexe der Prozess gemacht." Das ist zwar rechnerisch falsch, aber etwas ganz Ähnliches, insinuiert Stein, habe die SPD mit Immer-noch-Mitglied Sarrazin versucht. Doch der brannte nicht so gut, dafür sehe sich in seinen Thesen die "links-dominierte politische Klasse" überraschend mit der "Volksmeinung" konfrontiert, und deshalb soll das Volk jetzt die JF abonnieren und bekommt Sarrazins Buch geschenkt.
Das dürfte die Deutsche Verlagsanstalt freuen, die Sarrazins Buch verlegt und ohnehin nicht mehr aus dem Geldzählen rauskommt. "Es ist endlich Zeit für Klartext", greint Stein, und Sarrazin liefert ihn: "Die Bundeskanzlerin", sagt der, sei "eine große Absatzhilfe, die das Buch auf den Index der moralischen Korrektheit gesetzt hat, ebenso Sigmar Gabriel".
Das klingt schon ziemlich nach JF, steht allerdings in der kommenden Ausgabe von P.M. Biografie (die wie die DVA aber über ein paar Ecken zum Bertelsmann-Konzern gehört - so, Herr Stein, geht effektive Cross-Promotion!).
Doch warum müssen die Rechten immer so langatmig sein - Stein erregt sich in seinem Werbebrief auf vier eng beschriebenen Seiten über den "stickigen Zeitgeist". Das liest doch wieder kein Schwein. Nur wir Linken, weil der Geist mit uns ist und wir deshalb Zeit dazu haben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist