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Sarkozy gewinntCohn-Bendit triumphiert

Die Europawahl endet in Frankreich mit einer Demütigung für die Sozialisten, die bei mageren 16,8 Prozent landen. Cohn-Bendit verdoppelt den grünen Stimmanteil auf 15,7 Prozent.

In Paris sogar vor den Sozialisten: Daniel Cohn-Bendit. Bild: reuters

PARIS dpa/ap | Das Regierungsbündnis von Präsident Nicolas Sarkozy ist aus der Europawahl in Frankreich klar als stärkste Partei hervorgegangen. Die konservative UMP kam nach Auszählung fast aller Wahlkreise auf 27,7 Prozent der Stimmen und lag damit deutlich vor den Sozialisten (PS). Die Schwesterpartei der deutschen SPD stürzte auf 16,8 Prozent ab und lag nur knapp vor den Grünen.

Für die große Überraschung bei den Wahlen sorgten die von dem deutsch-französischen Europapolitiker Daniel Cohn-Bendit geführten Grünen (Europe Ecologie). Sie kamen auf 15,7 Prozent – ein weitaus besseres Ergebnis als erwartet. Cohn-Bendit begründete seinen Erfolg damit, dass er seit Oktober mobilisiert und Europa erklärt habe.

Mit seinem Triumph deklassierte Daniel Cohn-Bendit die Zentrumspartei MoDem von Expräsidentschaftskandidat Francois Bayrou. Laut Hochrechnungen lagen die Grünen im Großraum Paris sogar vor den Sozialisten.

Die Wahlbeteiligung lag nach Angaben des Innenministeriums bei 40,5 Prozent. Das ist ein historisches Tief bei Europawahlen in Frankreich (2004: 42,8 Prozent).

Premierminister François Fillon (UMP) sprach von einem "sehr guten Ergebnis" seiner Partei. "Das ist das erste Mal seit 1984, dass das Regierungsbündnis als Sieger aus den Europawahlen hervorgeht." Fillon ging allerdings nicht darauf ein, dass dennoch eine breite Mehrheit der Bevölkerung gegen die UMP von Präsident Nicolas Sarkozy stimmte.

PS-Chefin muss um ihr Amt fürchten

Die neue PS-Chefin Martine Aubry lehnte am Abend zunächst ab, Konsequenzen aus dem schlechten Abschneiden ihrer Partei zu ziehen. "Ich werde alle meine Energie dafür einsetzen, den Weg der vergangenen Monate weiterzuverfolgen", sagte Aubry.

Der PS-Abgeordnete Pierre Moscovici forderte dagegen umgehend Konsequenzen. "Schauen wir der Wirklichkeit ins Gesicht, wir müssen uns verändern", sagte er. Um hinzuzufügen, er selbst werde sich "an keinem Putsch beteiligen".

Insgesamt waren in Frankreich rund 44 Millionen Menschen zur Wahl aufgerufen. Um die 72 französischen Sitze im EU-Parlament bewarben sich mehr als 3.000 Kandidaten. Die Zentrumspartei MoDem wurde mit 8,5 Prozent vierte Kraft. Der Führer der französischen Rechtsradikalen, Jean-Marie Le Pen, kam mit seiner Front National auf 6,4 Prozent.

Cohn-Bendit will Anti-Barroso-Allianz schmieden

Als strahlenden Sieger sieht sich Cohn-Bendit, der als einer der wenigen klar auf europäische Themen gesetzt hatte. "Ich triumphiere", sagte er.

Obwohl Cohn-Bendit in den letzten Wochen von Sozialisten und Zentrumsmann Bayrou heftig angefeindet wurde, rief er beide Parteien zu einem Bündnis im EU-Parlament auf, um das konservative Lager um Kommissionspräsident José Manuel Barroso unter Druck zu setzen. "Ich glaube, wir können diese Mehrheit zustande bringen", sagte der scheidende Fraktionschef der Grünen in Straßburg.

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1 Kommentar

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  • KI
    karl ilnyzckyj

    Paris, den 8. Juni 2009

    Im Wahlkampf für die EU-Wahlen hatte die Sozialistische Partei vor allem damit gedroht, dass die Stimmen für die Linksfront und die NPA "verlorene Stimmen" seien.

    Das EU-Wahlrecht ist in Frankreich verdreht worden. Eigentlich sollten alle Parteien mit mehr als 5% Stimmen Abgeordnete erhalten.

    Aber die "staattragenden" Parteien haben das Land in 8 Wahlkreise unterteilt, für insgesamt 72 Abgeordnete. D.h. in der Praxis, braucht eine Partei - je nach Wahlkreis - ca. 7 bis 12% um einen Abgeordneten zu stellen.

    Aber die Wähler haben sich nicht beirren lassen. Hier im Wahlkreis Ile de France traten 28 Listen zur Wahl an. Mit mehr als 6% gehörte man schon zu den grossen Parteien.

    Die meisten französischen Bürger wissen inzwischen, dass das EU-Parlament kein "richtiges" Parlament ist. Es hat keine legislativen Rechte wie ein nationales Parlament. Die EU-Verordnungen werden von der Brüsseler EU-Kommission und vom EU-Rat erarbeitet und dies im starren Rahmen der EU-Verträge (Maastricht, Nizza, ...Lisabon).