Sarah Wiener Die Zutat: Grünes Stück zum Frühglück
Es gibt Kräuter, die einem nicht als Erstes einfallen, wenn man sein kulinarisches Wissen abruft. Zu ihnen gehört der Kerbel – außer, man kommt aus Hessen, aber dazu später mehr. Kerbel ist eine alte bewährte Heilpflanze und in Eurasien und Afrika weit verbreitet. Bis zu 15 Sorten soll es von ihm geben. Er wirkt blutbildend und reinigend, ist gut für den Stoffwechsel und die Haut. Man kann daraus zum Beispiel einen schmackhaften Tee zubereiten, aber Obacht am Abend: Kerbel ist auch harntreibend.
In der Küche wird normalerweise der echte Kerbel (Anthriscus cerefolium) und bei Feinschmeckern auch der Wiesenkerbel (Anthriscus sylvestris) verwendet, den man aber nicht mit dem giftigen Gefleckten Schierling verwechseln sollte. Letzterer hat einen anderen, nämlich glatten und gefleckten Stängel und riecht beim Zerreiben zwischen den Fingern nach Mäuse-Urin.
Kerbel hingegen sieht ein bisschen aus wie Petersilie oder Koriander, nur etwas feiner. Geschmacklich erinnert er an Anis und Fenchel und hat einen leicht süßen Abgang. Er hält sich nur wenige Tage im Kühlschrank und sollte zur Lagerung in ein feuchtes Leinen- oder Baumwolltuch eingeschlagen werden, wie im Grunde alle krautigen Pflanzen.
Die zarten grünen Blätter weisen schon darauf hin, dass man ihn am besten roh essen oder erst ganz am Ende ins fertige warme Gericht geben sollte. Das muss ich den Hessen kaum erklären, denn Kerbel ist eine Grundzutat der berühmten – kalten – Frankfurter Grünen Soße und damit unerlässlich für deren typischen komplexen Geschmack.
Ich benutze Kerbel sehr gern für den letzten Schliff im Erdäpfel-Eiersalat. Dafür koche ich vorwiegend festkochende Erdäpfel und schäle und schneide sie, während sie noch warm sind. Dann schmore ich Zwiebeln und etwas Knoblauch an, bis diese etwas mehr als glasig sind, gebe Senf, Kampot-Pfeffer und Salz dazu und lösche alles mit Rinder- oder Gemüsebrühe ab. Dazu gibt’s kernweichgekochte Eierachtel und eine ordentliche Handvoll Kerbel. Das Ganze wird sanft mit zwei großen Löffeln vermischt und sofort serviert.
Kerbel passt aber auch wunderbar zu Fisch. Dazu püriere ich eine ordentliche Menge mit Olivenöl, Salz und ein paar Mandeln für die Struktur und gebe dieses kalte Pesto über den frisch gegrillten Fisch. Suppen und mariniertes Gemüse peppt das Kraut ebenfalls auf. Im Grunde gibt es kaum Tabus.
Die Köchin Sarah Wiener stellt hier jeden Monat eine ihrer Lieblingszutaten vor. Heute: Kerbel.
Wie bei vielen Lebensmitteln gilt jedoch auch beim Kerbel: Weniger ist mehr. Aber gerade die paar Fingerspitzen Grün auf dem perfekt glänzenden Rührei verwandeln das Frühstück in ein Frühglück. Guten Appetit!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen