Sanssouci: Vorschlag
■ The Blech im Knaack-Klub
Ein laut schepperndes Blasorchester könnte sich hinter dem Namen verschanzen, Unwissende tippen auf deutschen Art- Rock. Die Aura, schwerverdauliche Klangkunst zu produzieren, umgibt sie wie ein undurchdringlicher Schutzschild. Doch das Label weiß genau, daß Musik ohne Etiketten keinen Platz in Plattendealers Regalen findet: „Deutschlands innovativste Popband der Gegenwart“, rufen sie deshalb quer über den Markt. Alles falsch, und doch ist jede dieser Bezeichnungen auch eine Facette des Gesamtkonzepts The Blech. Selten hat eine Band so hartnäckig den Platz zwischen allen Vorurteilen, Stilen und Stimmungen okkupiert, seit 1985 um genau zu sein, und inzwischen ganze fünf Platten lang. Mit ihrer Mischung aus Futurismus und Traditionspflege, aus wunderschönen Melodien und völlig unerwarteten Rhythmuswechseln, aus deutschen, englischen, spanischen und lautmalerischen Texten, hat die Band ein musikalisches Markenzeichen geschaffen, das jederzeit wiedererkennbar ist. Die vier – zwei Bayern, ein Badenser und eine böhmische Kanadierin – sind nicht nur virtuose MusikerInnen, sondern vor allem versierte ZitatkünstlerInnen. Die verwandte Stilistik ist grenzenlos, südamerikanische, arabische, afrikanische Einflüsse sind ebenso präsent wie bayerische Folklore, Weill und Eisler – das Gehörte hinterläßt Spuren. Mit Weltmusik der plagiativen Art hat das nicht einen Ton gemein, die Tangos von The Blech sind schaurig, die Walzer rasant, ihre Popsongs nur vordergründige Gehörgangsschmeichler, hinterrücks erstechen sie jegliche Erwartung. „Was da auftaucht, das ist ja was, was wir eigentlich nicht können. Wir sind gewohnt, Schlager oder Volksmusik oder was immer zu spielen – was rauskommt, ist deshalb automatisch gefärbt durch die jeweiligen Persönlichkeiten. Dadurch entsteht dieser typische Klang.“
Kulturschwindel pur, der sich da entwickelt – mit einem Tusch springt die Band aus dem Orchestergraben ins Chaos, der Wüstenwind fegt durch die Ritzen des Tanzbodens, und Champagner ist eine Erinnerung. HB-W, der Geiger, hat wegen The Blech seine Lehraufträge an der Hochschule für Musik sausen lassen, Shirley Hofmann, die Sousaphon, Euphonium und andere Ungetüme blasende Multiinstrumentalistin, hat ihre Vergangenheit als Tambourmajor in Marchingbands ad acta gelegt. Hubl, das rhythmische Rückgrat und Der Volz, dessen schneidende Stimme aufhorchen läßt, das Publikum manchmal regelrecht überfällt mit seinem Gekreisch, die beiden sind die Ursuppe des Projekts, die Gründerväter und Impulsgeber. Das wird auch auf der Bühne spürbar, einer könnte ohne des anderen musikalische Inbrunst nicht sein. Anna-Bianca Krause
Heute um 22.30 Uhr, Knaack, Greifswalder Straße 224
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