Sanssouci: Vorschlag
■ Hoher Anspruch – billiges Ergebnis
Dem Volkstheater haben sie sich verschrieben, die Mitarbeiter der „Neuen Berliner Volksbühne“, und verstehen darunter, „mit unterhaltsamen tiefgründigen Stücken anspruchsvolles Theater für jedermann/jedefrau zu machen und Herrn Müller vom Nebenhaus von seinem Fernseher wegzuholen“.
Für ihre neueste Produktion haben sie ein Musical „Wer denkt denn gleich ans Bett?“ ausgewählt, das Andrea Katzenberger, eine junge Schauspielerin und Mitbegründerin der Truppe, verbrochen hat. Sie möchte Schiller überbieten, denn: „Kabale und Liebe kann doch nicht mehr so treffen; die Figuren haben als solche mit den Menschen heute nichts zu tun.“ In ihrem Stück verschlägt es ein Mädchen aus dem Schwabenlande nach Berlin, und da verliebt sie sich in ihren Arbeitskollegen von der Post. Aber irgendwie kommen die beiden nicht zueinander. Der junge Mann mit Namen Matze hat auch so seine Schwierigkeiten, denn er möchte in einer Band Schlagzeug spielen oder vielleicht doch lieber singen. Wer weiß das schon genau? Die Bühnenfigur ist verwirrt, die Zuschauer sind ratlos. Die billige Story, die am Ende natürlich doch noch ein Liebespaar hervorbringt, ist in Dialoge verpackt, die außer Gähnen keine Reaktion hervorrufen. An der hinteren Bühnenwand ist eine Live-Band plaziert, deren Musiker sich offenbar genauso langweilen; sie sitzen in einer Reihe und warten auf ihren nächsten Einsatz. Wenn sie dann zum Zuge kommen und einen der saublöden Songs begleiten, wird's allerdings erst richtig schaurig. „Kaum ist man daheim/fühlt man sisch wieder allein./Man träumt soviel und hat in Wirklichkeit zum Glücklichsein sowenig Zeit.“
Dem Regisseur Andreas M. Schmidt ist weder zu den Texten noch zu den Gesangseinlagen etwas eingefallen. Die Schauspieler stehen voreinander und sagen ihre Texte auf. Oder sie bewegen sich synchron im Hüft- und Knieschwung. Haben sie das einer Schlagersänger-Background-Truppe oder den FDJ-Singegruppen der DDR in den siebziger Jahren abgeguckt?
Mit anspruchsvollem Volkstheater, etwa in der Tradition von Horvath, hat der Abend überhaupt nichts zu tun; eher sind Verwandtschaften zum Ohnesorgtheater oder Komödienstadel zu entdecken. Wer derzeit die Wahl hat zwischen einem Abend im Saalbau Neukölln und seinem Fernseher, ist mit einem gemütlichen Abend zu Hause bestens beraten. Sibylle Burkert
„Wer denkt denn gleich ans Bett?“, bis zum 6.12. im Saalbau Neukölln, jeweils 20.00 Uhr
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