Sanssouci: Vorschlag
■ „Ahmeds Traum“ Ein Werk für Chor und Orchester
Er wendet die Bratwürste: „So, jetzt noch einen Schuß Milch, damit sie schön braun werden. Es geht nämlich um die Wurst. So ein Bratwurstessen bei einer Prozession zum heiligen Bonifatius bringt die unterschiedlichsten Leute zusammen. Und zum Musikmachen und -schreiben bringen mich soziale Bezüge.“
Hinter den warmen Worten, mit denen der Komponist, Pianist und Orchesterleiter Michael Bardo Henning sein neuestes Projekt an den Mann bringen will, steckt jedoch mehr: der Wunsch nach praktischer Solidarität, die Hoffnung auf und der Traum von Verständigung. Der Mann aus Fulda-Drei-Linden, der gerade mit der Formation „Experimenti Berlin“ beim JazzFest begeisterte, lebt seit 1981 in der viertgrößten Stadt der Türkei, in SO36. Hier entstand, wuchs und reifte die Suite „Ahmeds Traum“. Nun, trotz enttäuschender Beschlüsse zum Asylgesetz soll das fünfteilige kultursenatsbezuschußte Werk im SFB-Studio T3 auf Rille kommen. Außerdem hat es sich in Berlin sofort drei Auftrittsorte erobert.
Es geht um Türči. So heißen in der Türkei die Rückkehrer, die lange in Deutschland lebten und nun zu Fremden im eigenen Land geworden sind. Auch der zwölfjährige Ahmed hat Rückkehrpläne. Mit dickem Ford, geldbepackt und einer Freundin, die ihn wieder nach Berlin begleiten soll, will er es wagen. „,Wenn ich reich wär' – Ausdruck der Sehnsucht Ahmeds – habe ich als mittelschnellen Blues konzipiert“, erklärt Henning, „als Einstimmung auf die vier folgenden Parts.“ Die Orient-Grooves zaubert der sozialdemokratische türkische Chor. Weitere Akzente setzt der Posaunist Remzy Emek, der die Solostimme umspielt. So weit zum Einstieg.
„Memleket isterim“ („ich möchte ein Land“), setzt musikalisch wie literarisch – als Ballade – einen Kontrast zu dem Vorhergehenden. Doch bevor Ahmed in seinem vollgepackten Ford Istanbul erreicht, muß er noch durchs Mythenland Mazedonien tuckern (den „mazedonischen Tanz“ führt dann auch eine Orienttanz-Spezialistin namens „Princess Ca-Thy“ gebärdenreich auf). Dann ist es soweit: „Ich habe solange gewartet... Ich traue mich nicht, dich zu riechen“, singt der Türči Ahmed melancholisch bei seiner Istanbul-Ankunft.
Ganz abgesehen davon, daß Henning die türkische Volksweise „Magnoly“ mit der Komposition „Himmlischer Friede“ aufs wunderbarste verschmilzt, gelang es ihm auch, mit dem liberianischen Percussionisten Kojo Samuels oder dem georgischen Geiger Vatialy Samhardze internationale Interpreten in die Stadt zu holen. In diesem Sinne sind – harschen Paragraphen zum Trotz – „soziale Bezüge“ lobenswert. Auch wenn sie von der Bratwurst über Istanbul in den Kaukasus gehen. Hansdieter Grünfeld
17.12. um 20 Uhr in der „Wabe“, Kulturhaus im Ernst-Thälmann-Park;
18.12. um 20 Uhr im Saalbau Neukölln, Karl-Marx-Straße 141;
19.12. um 20 Uhr im Ballhaus Naunynstraße.
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