Sanssouci: Vorschlag
■ Sharifa Khaliq and Wordsong im Franz-Club
Das Beste zum Schluß. Auf diese Band lohnte es zu warten. Der heißeste Sound dieser Tage kommt aus Berlin und ist Black American. „Black and Blues – Jazzpoetry“ lautet schlicht der Titel einer Cassette, die, ursprünglich nur als Demo gedacht, derzeit in bewährter Independenttradition – von Hand zu Hand – die Runde macht. Von der man spricht. Auf der sie spricht.
Sharifa heißt in der Blackmuslim-Sprache die Bemerkenswerte, die Auserwählte. Khaliq – the Creator. Tradition verpflichtet. In ihrem Fall die des Black Nationalism und seiner großen Poeten – Langston Hughes und Amiri Baraka. In den Siebzigern wandten sich viele schwarze Künstler den militanten schwarzen Bürgerrechtlern zu. Black Music wurde kurzerhand zum revolutionären Kommunikationsmedium erklärt. Black Identity hieß die schillernde Losung. Amiri Baraka legte seinen Sklavennamen LeRoi Jones ab und avancierte zum poetischen Wortführer jenes „class struggle in music“. Bessie Smith, Charlie Parker und John Coltrane wurden als Protagonisten eines selbstbewußten schwarzen Jazz adaptiert. Black Esthetic war angesagt und mit aggressiven Rhythmen, blue notes und dirty words wurde die kulturrevolutionäre Grenzlinie gezogen: „Setting fire under the white man's ass“. Was die eigentümliche Symbiose von Jazz und Poetry vom heutigen Rappen zum Soundsystem unterscheidet, ist in einem Wort zu fassen: Interplay. Wenn Sharifa den Blues spricht, wird sie von Wordsong, einem Allstarquintett in Berlin lebender Musiker begleitet und angefeuert.
„Wordsong“ wird geleitet von dem Saxophonisten Fuasi Abdul Khaliq – disziplinierter Diener des Herrn, Mitglied der Union of God's Musicians and Artists Ascension in L.A. Er war eigentlich nur auf Urlaub in Berlin und blieb. Sharifa kam Anfang des Jahres kurzerhand mit ihren drei Kindern nach. Hier schien ihnen zunächst Wesentliches anders als in L.A. zu sein. Seien es Auftrittsmöglichkeiten in den Berliner Jazzclubs – wenn auch schlecht bezahlt – oder daß die Kinder unbeaufsichtigt auf der Straße spielen können – undenkbar in den gewalttätigen amerikanischen Metropolen. Aber auch ein Vermissen stellte sich ein – der Wärme und des Gefühls, das einem vermeintlich nur die eigene Community zu geben vermag. Schließlich trafen sie auf einen dritten Neuzugang der Berliner Szene, den ambitionierten Jazzposaunisten Anthony Hurdle aus Philadelphia. Sein Sextett stellt er am 29.Dezember ebenfalls im Franz-Club vor. Wie Fuasi ist er begehrter Solist verschiedenster Black Music Formationen in der Stadt. In „Wordsong“ werden sie alle Sharifas Bluesgedichte mit dem komplementieren, was sie einen originären schwarzen Sound nennen.
Inner-Attainment statt Entertainment, der Künstler mit dem erhobenen Zeigefinger? Wie kann sich die Lyrik der Alltagserfahrung annähern? Wie klingt die Weltsicht, wie die Erfahrung einer Black American Woman? Wie „Wordsong“ vielleicht. Der Blues des Daseins erzählt vom Leben. Wie es sein könnte. Christian Broecking
Samstag, 26.12.: Sharifa Khaliq and Wordsong, Franz-Club, Schönhauser Allee 36-39, 22 Uhr.
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