Sanssouci: Vorschlag
■ Sartres „No Exit“ im Theater Zerbrochene Fenster
Eine der schlimmsten diesseitigen Höllen besteht in den Beziehungen des Menschengeschlechts untereinander. Das wußte schon Jean-Paul Sartre, als er uns wissen ließ: „Wenn meine Beziehungen schlecht sind, begebe ich mich in die totale Abhängigkeit von anderen. Dann bin ich tatsächlich in der Hölle.“ Mit „Huis Clos“ (dt.: „Geschlossene Gesellschaft“; engl: „No Exit“ ) schuf er einen Kammmerspiel-Klassiker, der genausowenig totzukriegen ist wie seine drei Protagonisten. Längst in den Orkus eingefahren, sind sie dazu verurteilt, in einem etwas staubigen Raum für alle Zeiten miteinander auszuharren — in ihrer ureigenen Hölle.
Bei den Berlin Playactors, die ihre englischsprachige Inszenierung jetzt im Theater Zerbrochene Fenster wieder aufgenommen haben, sind die infernalischen Kreise der gegenseitigen Beziehungen zu extravaganten Schnörkeln aufgedreht. Als wäre dem Journalisten Garcin, der Lesbe Ines und der Kindsmörderin Estelle keine weitere Tiefe abzuringen, verdammt die Regie Rik Maveriks die drei den ganzen Abend dazu, während ihrer imposanten Redeschlacht im Kreis zu laufen und ihre wortreich vorgetragenen Gefühle in kreisenden Triaden um den Kampfplatz herum auszutragen. Allzu selten ist es den Darstellern erlaubt, aus dieser infernalischen Vorgabe auszubrechen.
Und so sehen wir Laurent Holzamers eigentlich recht schmuddeligen Garcin auf einen kleinen sauberen Muckermann reduziert, der mit ruckigen Bewegungen den Verklemmten raushängen läßt und immer, wenn ein Ausbruch der Gefühle naht, zum großen Rundgang ansetzt. Priscilla Be als Estelle hat den falschen Schwung der naiven Schönheit und stolziert in ihren Rundläufen mit hohler Eitelkeit auf hohen Hacken das ehrliche Gefühl in Grund und Boden. Josephine Larsens Ines als blondes Monstrum zwischen Schlange und Hyäne kreist bodenständig auf Badelatschen; ihre kreisenden Läufe immerhin haben diabolischen Charakter und werden zu vorpreschenden Attacken gegen die sich anbahnende Beziehung zwischen Garcin und Estelle.
Alle drei sind ermüdend schnell desavouiert. Da hilft alles Getue nichts, nicht der trockene Humor, nicht die englische Bühnensprachenmelodie und keine der stets großen Gebärden, die sich so exaltiert ausstellen, als wären sie aus dem gleichen Material gefertigt wie die Stühle, die allesamt einem surrealistischen Film Cocteaus entsprungen sein müssen und in lustig verspielter Konstruktion beweisen, wie ein Kreis sich zum Schnörkel, zur Spirale drehen kann.
All das mag der oberflächlichen Verdrehtheit eines Berliner Großstadt-Publikums durchaus angemessen sein, doch kann es trotz der kurzen Spieldauer des Einakters auch ermüden, immer nur mit den schon längst entleerten Fassaden extravaganter Verlierer konfrontiert zu werden. Da kreist die Hölle in sich selbst — Leerlauf. baal
Heute, 20.30 Uhr, Fidicinstraße 3, Kreuzberg
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