Sanssouci: Vorschlag
■ Das Nat Adderley Quintett im Quasimodo
Es gibt eigentlich nur drei Arten des Blues, weiß Nat Adderley zu erzählen, bevor er die Trompete ansetzt: den „lost your woman Blues“, den „lost your money Blues“ – kommt ganz schlecht, „weil du keine Frau einladen kannst, wenn du blank bist“ – und den „lost your woman who took all your money Blues“ – schlimmer kann's nicht werden. Nicht für einen Blues Man zumindest. Um nichts anderes geht es immer und immer wieder im City Blues, wenn das Signal ertönt „Oh Yeah, ...“ wisse man Bescheid. Erzählt Nat Adderley, Jahrgang 1931. Und der Mann sollte wissen, wovon er spricht.
Der Blues gehört in mancherlei Hinsicht zu seinem Leben. Als er Mitte der fünfziger Jahre die Jazzbühne betrat, wußte zwar noch keiner von Cannonball, Nats älterem Bruder, aber der war es, der bald darauf das Rennen machte – und Jazzgeschichte. Über fünfzehn Jahre spielte Nat fortan in den Gruppen seines Bruders, bis zu dessen jähen Tod im Jahre 1975. Aber die Karriere von Nat Adderley – vom Schattengänger zum Nachlaßverwalter – wollte auch als Komponist nie so recht klappen. Als Musicians' Musician wurde er nicht selten hochgelobt, absahnen taten aber immer andere – den Ruhm und das Geld. Seinen „Work Song“ etwa hat sicherlich heute jeder schon mal gehört, Herb Alpert (wer war das noch gleich?) sei's gedankt.
Nun denn, seit geraumer Zeit ist Nat Adderley wieder mit einem Quintett auf Tour, das fast schon eine kleine Dreamband genannt werden könnte. Und was wird gespielt? – Standards aus der Schatztruhe der Cannonball-Zeit natürlich. Nur, daß die in diesem Fall eigentlich ja auch immer noch Originals sind, vorgetragen von vitalen Überlebenden: Da ist Walter Booker jr., der texanische Indianer am Baß, der schon bei Thelonious Monk und Sonny Rollins den Beat kontrolliert, bevor er bei Cannonball einstieg; und Jimmy Cobb, der Drummer, der bei fast allen Jazzlegenden der Nachkriegszeit für den Drive von hinten sorgte.
Diese drei Herren sind an sich schon abendfüllend, meist gut gelaunt und gerüstet mit jener schier unerschöpflichen Lust am Spielen, wie sie für die aussterbende Jazzgeneration so typisch war. Im Gepäck führen sie den jungen Altsaxophonisten Vincent Herring, der sich am spannendsten anhört, wenn er nicht wie Cannonball spielen will. Seine Ballade „Almost Always“ gehört zu den Höhepunkten auf Adderleys jüngster Platte „The Old Country“ (auf Enja veröffentlicht).
Nat Adderley wurde mal der liebenswerteste Mensch im Jazzbusiness genannt. Sicher ein eigenartiges Kompliment, nur: wenn seine Musik wirklich von der Seele kommt – und davon gehen wir aus –, für Konzertgänger ein zutreffendes. Christian Broecking
Heute, 22 Uhr Quasimodo, Kantstraße 12a, Charlottenburg.
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