Sanssouci: Vorschlag:
■ Rachelina & die Maccheronies im Bellevue
Oliven, Tomaten mit Mozzarella und Basilikum, Salami, kurz: italienische Antipasti sind in der Regel der Einstieg zu einer kulinarischen Traumreise. Im Bellevue begleiten sie ausnahmsweise einmal folgenlos den Abend, sind die schmackhafte Zugabe eines Konzertes mit Rachelina & den Maccheronies.
Der Raum ganz in Weiß, die ausgestellten Bilder ganz in Blau, das Meer ist blau, mitten in Tiergarten, trotzdem nicht zu riechen. Durch einen billigen, schief gehängten Silberlamévorhang treten nacheinander die Mitwirkenden und landen auf der kleinen überfüllten Bühne. Zuerst das Mini-Orchester, drei deutsche Maccheronies, in Gestalt von zwei Mannsbildern und einem Jüngling, die sich hinter den akustischen Instrumenten plazieren. Dann windet sich die Hauptakteurin Rachelina wie im Slalom zwischen den Notenständern durch. Das Publikum sitzt längst an den gedeckten Tischen, und noch bevor der erste Ton hörbar wird, hält es inne, knabbert für einige Sekunden nicht an der Gebäckstange weiter. Kaum aber hat Rachelina losgelegt, ihr erstes neopolitanisches Lied gesungen, bricht auch schon wieder Lebhaftigkeit aus. Die Canzoni vertragen die künstlich erzwungene Stille eines Konzertsaales nicht; hier in diesem etwas kahlen Hinterraum sind sie aber wie zu Hause. Melancholische, witzige, frech-erotische Songs, die vom Straßenleben erzählen, von der Emigration, von Anti-Liebeskummer-Pillen oder ganz einfach vom nepolitanischen Kaffee, der natürlich der beste der Welt ist. Die Musik – altmodische italienische Gassenhauermelodien, deren verspielte Vielseitigkeit nur in einer Hafenstadt gewachsen sein kann – ist die Basis. Das Akkordeon schwingt wehmütig, der Kontrabaß ist widerspenstig, die Gitarre beharrt auf einzelnen Tönen; doch ab und an sollten sich alle drei Instrumentalisten einen Schluck Feuerwasser genehmigen. Schade auch, daß bis auf zwei Songs, die in Neapel unerläßliche Mandoline fehlt. Aber Rachelina, das Zentrum des Geschehens, schwingt ihre Hüften in einem taillierten Fünfziger-Jahre-Kleid und läßt ihre gefühlvolle, warme Stimme durch die kleinen Geschichten wandern. Viele der von ihr interpretierten Songs, wie Totos „Malafemmena“ sind normalerweise aus Männerkehlen zu vernehmen, die Interpretin nimmt diese Hürde mit dem ihr eigenen spitzbübischen Temperament. Eine der wenigen Ausnahmen im Repertoire ist das Lied vom verliebten Soldaten, das einst Anna Magnani sang; die wiederum ist typologisch eine der Vorgängerinnen der Sängerin. Seit zwölf Jahren ist Rachelina in Deutschland, seit vier Jahren wagt sie sich in Berlin und anderswo vors Mikrophon, doch die Heimatstadt Palermo läßt sie nicht los. Ein guter Grund, sie zu hören, solange sie noch in Berlin weilt. Anna-Bianca Krause
Heute abend um 20.30 Uhr im Bellevue, Flensburger Straße 11-13 in Tiergarten. Zum Konzert gereicht werden italienische Antipasti, deshalb ist eine Voranmeldung erforderlich: 3922561.
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