Sanssouci: Vorschlag
■ Miranda Sex Garden im Loft
Der Weg aus einer klassischen Ausbildung heraus, hin zu eigenen musikalischen Formen und Ausdrucksmitteln, wird nicht selten zu einem endlosen Hindernisrennen. Auch die drei Gründerinnen von Miranda Sex Garden schöpften erst einmal ausgiebig aus dem auf einer Purcell-Musikschule erlernten Repertoire: Sie zogen durch die Londoner Portobello Road und sangen Madrigale aus dem 16. Jahrhundert. Das klang wunderschön. Zu schön.
„Ich habe nun lange genug klassisch gesungen, das langweilt mich allmählich“, sagte sich Katherine Blake irgendwann. „Ich brauche eine andere Herausforderung. Ich liebe es, wenn die Möglichkeit besteht, mit einer klassischen Stimme richtig hart, fast punkig zu singen.“ Zwar liegt ihre Stimme immer noch wie Rauhreif auf den Songs, doch die wirklichkeitsfremd und entrückt klingende Vokalspur ist unterlegt mit schroffen, punkigen Gitarrenriffs und einer pulsierenden Rhythmik.
Vor einem Jahr nahmen die drei Sängerinnen zwei Musiker in ihre Reihen auf – den Gitarristen Ben Golomstock und den Schlagzeuger Trevor Sharpe. Genau die richtige stilistische Konfrontation für die musikalischen Vorstellungen von Katherine Blake, Donna McKevitt und Kelly McCusker. Ihre traditionellen Instrumente – Cello, Geige und Bratsche – und ihre sirenenhaften Stimmen treffen in der aktuellen Bandbesetzung auf das Instrumentarium der Gegenwart, auf Rock-, Punk- und Noise-Elemente. Die Songs klingen immer noch sphärisch, manchmal spirituell, sind durchsichtige, poetische Gebilde, die Weltabgeschiedenheit wird aber stets rechtzeitig gebrochen, konterkariert vom elektrischen Sound.
Die Philosophie der jungen Musikerinnen, die die Mystikerin Hildegard von Bingen als Visionärin, große Komponistin und universelle Künstlerin verehren (und auch sonst dem Mittelalter nach wie vor sehr zugetan sind), untermauert die Zeitlosigkeit ihrer Arbeit. So sehen sie es jedenfalls selbst: „Alles, was du brauchst, um neue Dinge, eine eigene Perspektive zu entwickeln, ist ein Standpunkt. Eine klassische Ausbildung benötigst du nicht, aber sie hilft dir dabei. Viele Melodien fliegen sowieso seit Tausenden von Jahren durch die Gegend, sind einfach da, und du brauchst nur zuzugreifen. Aktuelle Dinge können sehr alt sein.“ Anna-Bianca Krause
Heute abend um 20.30 Uhr im Loft, Nollendorfplatz 5. Im Vorprogramm: Santrra.
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