Sanssouci: Vorschlag
■ In melodiösen Schleifen singen: „Sabri Brothers & Party“ am Samstag im Tempodrom
Die Konzertüberschwemmung, die rund um den 1. Mai droht, stiftet Unentschlossenheit und Überdruß. Verstärkt durch die frühzeitigen Hochstimmungen auf der Wetterkarte, sitzt die Berlinerin nebst Freund und Freundin, Hund und Sonnenbrille, am liebsten wieder im Freien und läßt sich die ozongeschwängerte Luft ums Haupt wehen. Das Tempodrom allerdings kann da schon als Ausnahme gelten, wird es drinnen zu stickig, geht die Kontaktbörse eben draußen weiter.
In hinterster Reihe wirbelt die Rhythmussektion, ausgestattet mit Tablas (Doppeltrommeln), Dhoklas (kleinen, horizontalen Trommeln) und den eigenen Händen (zum Klatschen). In vorderster Reihe stehen zwei gestandene Figuren, zwei alte Männer mit langen Haaren und noch längeren Ketten, mit Predigergestik und dicken Ringen an beinahe jedem Finger, Haji Ghulam Farid Sabri und Haji Maqbool Ahmed Sabri, die Leadsänger der Sabri Brothers. Gemäß der Tradition des Qawwali, einer Musikform, die sich – ausgehend von Bruderschaften moslemischer Mystiker, den Sufis – ab dem 12. Jahrhundert in Indien ausbreitete, sind die Hauptsänger auch heute noch die Entscheidungsträger der Gruppe, zudem zuständig für ein weiteres wichtiges Instrument des Qawwali, dem Harmonium.
Letzteres orgelt oft als schräger Melodieführer in den „Song“ ein, dann steigen die Tablas und Dholaks ein und übernehmen gemeinsam mit den Stimmen das Geschehen. Rhythmus- und vokalbetont, kraft- und lustvoll, reiben sich Sänger und Percussionisten aneinander, erzeugen eine Sogwirkung, die darauf abzielt, das Publikum nicht mehr loszulassen.
Zuerst prescht einer der Vokalsolisten in melodiösen Schleifen singend vor, dann folgt der Chorus etwas verschleppt mit denselben Worten hinterher, ab und an wirft ein tieferes Timbre ein „Allah“ zwischen den Textzeilen aus, wie einen Angelhaken. Ständige Wiederholungen, die zunehmende Heftigkeit des Vortrags, die permanente Beschleunigung von Rhythmus, Gesang und Bewegung, das ist der Weg in die Ekstase, den das Publikum auch gehen kann, ohne eine einzige der poetisch-religiösen Botschaften zu verstehen.
Der Weg zum Herzen, zur Seele, in die menschlichen Urgründe führt eben am einfachsten über Musik, und die weit geschwungenen, teilimprovisierten Gesangspartien dieser Männer aus dem Punjab degradieren die im Westen üblichen rauhen Männerstimmen zu langweiligen Krächzorganen. Anna-Bianca Krause
Sabri Brothers & Party: Am Samstag, den 1. Mai um 20 Uhr, Tempodrom, John-Foster-Dulles-Allee, Tiergarten.
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