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SanssouciVorschlag

■ Ragga Twins im SO 36

Shut Up And Dance! – so lautet der Name des Londoner Labels, das letztes Jahr den inoffiziellen Musik-Oscar für „das beste Label der Welt“ in Empfang nehmen durfte. Die gleichnamige Gruppe hatte mit „Death Is Not The End“ eine durch alle Geist- und Zeitgeist-Medien gefeierte Platte: Rumpelnder House traf auf HipHop-Breakbeats, so billig und schmutzig wie möglich produziert.

Dazu gab es sparsam und – im Gegensatz zum schroffen Grundsound – irgendwie daneben, aber schön wirkende Soulstimmen, Jazzgeraune und Ragga-Einflüsse sowie, als I-Tüpfelchen, einen Rap mit reiner Akustik-Gitarrenbegleitung – von Kevin Rowland, dem Ex-Dexys-Midnight-Runners-Mann.

Die Ragga Twins sind nun der Ragga-Dance-Zweig von SUAD, mit Flinty Badman und Deman Rockers als Hauptprotagonisten. Jahrelang in der Londoner Reggae-Szene aktiv, fingen sie, der only Reggae-Riddims überdrüssig, irgendwann Ende der Achtziger an, mit HipHop und House-Beats zu experimentieren. In dieser Phase liefen ihnen Smiley und PJ von SUAD über den Weg, und zusammen produzierten sie „Hooligan 69“, die erste Ragga Twins-Single. Nebenher beschlossen sie, für ihre Platten ein Label zu gründen: Shut Up And Dance. „Reggae Owes Me Money“ hieß dann das erste Album der Ragga Twins, ein nicht nur im Titel spürbarer Seitenhieb auf die ihrer Meinung nach trockene und eingefahrene Reggae-Szene in England, von deren Produzenten die Ragga Twins wohl zusätzlich noch ein ums andere Mal finanziell über den Tisch gezogen worden sind. Musikalisch ist „Reggae Owes Me Money“ Ragga-House im fast schon typisch zu nennenden SUAD-Underground-House-Kontext, eine Mischung aus gesampleten Aha-Erlebnissen, Ragga- Lyrics und kompromißlosen Beats. Ihre Lyrics verhandeln neben dem Bashen der Reggae-Szene soziale Mißstände wie Obdachlosigkeit, Gewalt an Schulen und harte Drogen – Themen, die Flinty und Deman weniger als dogmatische Predigten, sondern mehr als ein Sendungsbewußtsein über die Aufforderung zum Tanzen oder Händeheben hinaus verstanden wissen wollen. (Und die man ganz politically correct annehmen kann, ohne sich gleich argumentationstechnisch verbiegen zu müssen, wie das beim HipHop von Ice Cube oder Ice-T der Fall ist.)

Seit einem Jahr wartet man jetzt schon auf die nächste Single der Twins, und es ist zu befürchten, daß das Label SUAD in finanziellen Nöten steckt. Wie dem auch sei, was bleibt, sind die Platten und ein schöner Spruch, der für die Ragga Twins wie für alle anderen SUAD-Acts gilt: „Dance Before The Police Come“. Gerrit Bartels

Ragga Twins, heute um 22 Uhr im SO 36, Oranienstraße 190.

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