Sanssouci: Vorschlag
■ 4 Non Blondes im Huxley's
Neulich erklärte mir eine eher junge Frau auf einer Party, daß Soul Asylum doch viel besser und toller als die Lemonheads bei ihrem Konzert im Huxley's gewesen seien. Nach dem Austausch einiger anderer Ereignisse an diesem Abend nahmen wir einen kleinen Konzert-Ausblick vor und landeten bei den 4 Non Blondes, von denen meine Gesprächspartnerin in den höchsten Tönen schwärmte. Alle meine Einwände gegen diese Band interessierten sie nicht im geringsten, ob nun Eintagsfliege, Major-Klon oder Durchschnittsrock – „What's Up“ und das dazugehörige Album seien „klasse“ und damit basta, bloß 44 Mark für die Eintrittskarte seien leider etwas zuviel.
Noch girliger, noch hardrockiger und mainstreamiger laufen die 4 Non Blondes aus San Francisco nun in Berlin auf, und ihr Problem ist ihr Erfolg. „What's Up“, Nummer eins in Deutschland und auch anderswo allgegenwärtig, ist schon nach ein paar Wochen der Inbegriff für „auf die Nerven fallen“, für Retortenmusik aus Amerikas Rockküche. Die 4 Non Blondes sind dadurch die liebsten Feinde der selbsternannten Underground-Anwälte, den wahren Anhängern musikalischer Kreativität. So titelt der tip denn auch geschmackssicher vom „Alptraum der Saison“ und spricht von einer „durchschnittlichen Band, die schnittigen (!!) Hardrock machen möchte und dabei irgendwie verkrampft“, und weiter von einer „fad schmeckenden Soße vom amerikanischen Mainstream-Fließband, die Geschmacksnoten überall klaut, ohne das kleinste Eigenrezept (???) zu entwickeln“. Heavy Stuff für eine Band, die eigentlich nichts anderes macht als Rockmusik, die, wie tausend andere Bands auch, bekannt und erfolgreich sein möchte und auch Geld mit Musik verdienen will.
Dabei kann man ganz nebenher mal wieder die Kriterien für Rock überdenken und Maßstäbe wie durchschnittlich oder „qualitätsvoll“ oder „Eigenrezepte entwickeln“ oder „Ideenklau“ schön in den Orkus der WOM-Journal-Ablageeimer werfen. Wundern kann man sich immer wieder, und „What's Up“ ist nun mal ein simpler, ins Ohr gehender Song, von einer Frau gesungen, die wahrscheinlich eine unvergleichlich röhrende Stimme hat. Natürlich wird das Lied durch tausendmaliges Abspielen nicht interessanter, nur breitenwirksamer und erfolgspotenzierend. Damit ruft es dann natürlich schnell die Gralshüter der „guten Rockmusik“ auf den Plan, die auch mit Bands wie Lemonheads, Soul Asylum oder Pearl Jam, ihres plötzlichen Erfolges wegen, correctness-Probleme bekommen, denn Massenerfolg und Geld wirken ja manipulativ und kontrakreativ. Eine Band wie 4 Non Blondes sollte man eigentlich mehr bedauern, denn von Entwicklung und langjährigem, langsam sich auf etwas „Größeres“ Einstellen kann bei ihnen keine Rede sein. Auf ewig wird ihnen dieser Hit hinterherlaufen und sich, mit großer Wahrscheinlichkeit, niemals wiederholen. Meine Gewährsfrau interessiert das, wie schon erwähnt, überhaupt nicht, und so wie sie bei Soul Asylum sehnsüchtigst auf „Runaway Train“ gewartet hat, wird sie sich bei den 4 Non Blondes über das live gespielte „What's Up“ freuen. Eine Einstellung, die herzensguter und bester Pop ist und ihn zusammen mit allen bösen Retorten- und Konstruktionsverdächtigungen (die ja nicht falsch sind) erst so richtig wahrhaftig macht. Schließlich mag ich morgen schon wieder jemand anderen. Gerrit Bartels
Heute, 21 Uhr im Huxley's, Hasenheide 108–114, Kreuzberg
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