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■ Drei neue Kurzfilme der „Frühlingsrolle“ des Kellerkinos

Das Kellerkino in der Dresdener Straße dürfte den Freunden des Kurzfilms mittlerweile ein Begriff sein. Am Monatsanfang werden dort neue Kurzfilme in die sogenannte „Frühlingsrolle“ aufgenommen, wofür die bei den Zuschauern durchgefallenen Filme von der Leinwand weichen müssen. Der Publikumsliebling vom vorangegangenen Monat wird weiterhin gezeigt und für die „Ultra-Rolle“ vorgemerkt. Die diesjährige „Ultra-Frühlingsrolle“ wurde soeben ermittelt, Ende des Jahres wird sie auf einem eigens organisierten Festival noch einmal gezeigt. Dann winken Geldpreise, die die zumeist im „No-Budget-Bereich“ schaffenden Kurzfilmemacher zum Weitermachen befähigen sollen (Bewerbung unter 614 73 93).

Gezeigt werden in dem eigentümlichen kleinen Kino auch in diesem Monat einfallsreiche kurze Geschichten, die zwar nicht immer so professionell umgesetzt sind wie der aufwendige 35-mm-Film „Zum Greifen nah“ von Veit Helmer, deren Machern aber stets spürbar eine Idee „unter dem Auslöser brennt“.

„Zum Greifen nah“ spielt auf einer Münchner Großbaustelle: Ein Bauarbeiter verliebt sich in eine junge Frau, die hoch über seinem „Arbeitsplatz“ wohnt. Was auf der Leinwand im tristen Schwarzweiß des Alltags beginnt, bekommt allmählich durch die Originalität des Liebenden, in einer den ganzen Film dauernden Überblendung, Farbe, da der Bauarbeiter seine Arbeitszeit zu halsbrecherischen Kranfahrten nutzt, um seiner Angebeteten Geschenke auf dem Balkon darzureichen...

Weniger märchenhaft, eher kafkaesk anschließend der Film „Die Leistungszelle“ von Andreas Gockel und Tom Gerhardt: Der Film spielt im Jahr 1998, die Angestellten einer Großfirma müssen sich ihren Arbeitsraum regelrecht verdienen. So auch Manfred, der sich, von hydraulisch verschiebbaren Wänden eingeschlossen, in einer „übermenschlichen“ Nachtschicht dem Prinzip der totalen Leistungsgesellschaft zu stellen versucht...

Ähnlich provokativ dann auch der Film „Live-Schaltung“ von Peter Kuhn, in der ein Mann namens Hans beschließt, es dem Fernsehen zu zeigen. Er entführt eine Talk-Show-Moderatorin, um deren Sendung einmal ausfallen zu lassen. Doch das Unvermeidliche geschieht: Letztlich zeigt das Fernsehen es ihm, der Medienmarionette – rasch wird eine Live-Sendung organisiert, in der sich die Kamera für den letztgültigen „Shot“ in einer Linie mit dem Todesschützen postiert...

Bei solch einem kontrastreichen Programm fällt so manchem das Ausfüllen des Kellerkino-Stimmzettels nicht so leicht, aber über eines sind sich die meisten Besucher einig: Der Kurzfilm als Kunstform darf nicht völlig von den Leinwänden verschwinden, da er dem Markt- und Mehrheitsgeschmack schon seit so vielen Jahren gerade wegen seiner zeitlichen Beschränkung viel präzisere und pointiertere Bilder als ein abendfüllender Spiel- oder Dokumentarfilm entgegensetzen kann. Gabriele Scholz

Jeden Abend um 23 Uhr im Kellerkino, Dresdener Straße 125.

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