Sanssouci: Vorschlag
■ „Müller hebt ab“ von Gerhard Tietz im Kellerkino
Als Superman Anfang der Achtziger über die Leinwand segelte, saßen wir im besten Alter unserer Pubertät im Kino und waren darauf aus, uns mächtig zu verlieben. Hollywood war damals gleich mit drei Folgen angerückt, in der Hoffnung, mit dem unbekannten Christopher Reeve als Superman den großen Coup zu landen. Doch unser Teenieblut kam nicht so recht in Wallung. Denn Superman war kein action hero, sondern ein akurat gescheitelter, spießiger Softie. Hätten sie doch wenigstens Robert Redford für die Rolle besetzt, der damals auch im Gespräch war, aber gegen den glattgebügelten Reeve den kürzeren zog. So flog Superman auch im Film bloß immer zur rechten Zeit in seinem blau-roten, hautengen Ganzkörper-Dress über die Dächer von Manhattan und sorgte hygienisch und unspektakulär für Recht und Ordnung. Kein Wunder, daß er bald von der Leinwand verschwand und sein Dasein wieder in Comic-Heften fristete.
Abbildung aus dem „20. Superband“
Allen Unkenrufen zum Trotz gibt es nun doch ein filmisches Comeback. Allerdings nicht mehr für die Warner Bros., sondern im Auftrag des No-Budget-Service vom Kreuzberger Kellerkino. Regiedebütant Gerhard Tietz hat Superman wieder zum Leben erweckt und ihn in seinem Erstlingsfilm „Müller hebt ab“ in ein neues Licht gerückt.
Müller ist ein alter Berliner Comic-Heft-Verkäufer und auch selbst ein passionierter Comic-Leser. Als sein Idol Superman eines Abends aus dem Heft zu ihm spricht, beschließt Müller, sein Leben grundlegend zu ändern: Er läßt sich Superman-Klamotten schneidern und stapft breitbeinig durch Berlin. Weil wir im Kino sind, dauert es auch nicht lange, bis Müller tatsächlich fliegen kann. Frech konterkariert der Hauptdarsteller Dieter Dost den schlappen Ami-Helden mit Berliner Mief: speckige Tapeten, ein ranziger Fußschemel vor dem Fernsehsessel und Dauereintopf. Freilich, Kreuzberg ist nicht Manhattan. Die Geschichte ist simpel, und die Tricks sind leicht durchschaubar. Das macht aber nichts, weil der Film auch gar nicht auf Perfektion zielt. Am Schluß landet Müller im Polizeirevier, wo er einem gewissenhaften Polizisten alles erklären soll. Der fordert Müller zum Beweis seiner Flugkunst auf. Das läßt dieser sich nicht zweimal sagen.
Daß Superman so geduldig als Comic-Held überwinterte, hat sich gelohnt: Jetzt kommt er wieder auf der Leinwand zu Ehren, als fetter, alter Berliner, in einem bescheidenen, kleinen Film, der amüsant die Geschichte aller Supermänner fortspinnt. Andrea Kern
Ab heute jeweils Mittwoch bis Samstag, 19.15 Uhr im Kellerkino, Dresdener Straße 125, Kreuzberg.
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