Sanssouci: Vorschlag
■ Music for Maps – eine Ausstellung in der Galerie Mutzek
Schleswig Holstein – Detail Dr. Jörgens
Nicht ganz quadratisch, dafür unentbehrlicher noch als Schokolade baumeln Landkarten im Raum. Was ursprünglich der Orientierung helfen sollte, versperrt nun die Galerie und schafft labyrinthische Wege wie in einer vollgehängten Waschküche. Die Mutzek-MacherInnen haben aus dem wundersamen Fundus des Hamburger Kartographen Dr. Jörgen Jensen insgesamt 23 Exponate ausgesucht, die sonst eher in Schularchiven eingelagert sind. Manche Karte der frühen Sechziger stimmt nicht mehr: In Asien sind neue Staaten nicht nur rund um die GUS entstanden, und die europäische Landschaft sieht ohne eisernen Vorhang anders aus. Dann wirkt es komisch, wenn man mittendrin glühend sozialistische Namen wie Karl-Marx-Stadt liest. Wahrscheinlich gelten selbst die Fische auf der Schautafel „Hauswirtschaft“ als ausgestorben, und nur der nördliche Sternenhimmel oder „Die Länder des alten Testaments“ sind, was sie darstellen: Fantasiegebilde in dunklem Blau und leuchtendem Wüstenocker.
Doch das stört weder Mutzek noch Herrn Dr. Jörgens, dessen Druckerzeugnisse weiterhin im Handel sind. Für eine Museumsführung qua Walkman haben sie 23 Musiker Soundtracks aufnehmen lassen, die den abgebildeten Gegenstand umspielen. Gobi Hofmann komponierte einen bajuwarisch gejodelten Blues, zum Nord-Stern ertönt esoterischer Punkjazz. Die Karten dienen als Reisebegleiter ins Imaginäre, schließlich sind sie als abstraktes Informationssystem nur Struktur einer aufgeschriebenen und vermessenen Realität, nicht die Sache selbst. Beim Rundgang verwandelt sich das geordnete Zeichenreich in eine melancholische Märchenwelt, die Kluft zwischen Logistik und unwillkürlicher Erinnerung ist kaum einen Fuß breit. Harald Fricke
Bis 20. 12., Invalidenstraße 31, Mi.-Fr. 14-18, Sa./So. 16-20 Uhr
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