Sanssouci: Nachschlag
■ Charity statt Christie: Künstlerauktion zugunsten kranker Kinder im Haus der Kulturen der Welt
Auch hier lernten Bilder laufen – Auktionatorentrio Heiner Bastian, Peter Raue und Wim Wenders
Viel Kohle, Paillettengeglitzer und brillant inszenierte Mildtätigkeit sind bei prominent besetzten Hilfsaktionen für Rußland, Bosnien oder L.A. im allgemeinen an der Tagesordnung. In Berlin fehlen für solche Cocktails offenbar sowohl die richtigen Mixer als auch die angemessen spendablen Gäste. Wim Wenders ist nicht Liz Taylor, wenn er auch sein caritatives Herz am Freitag abend im Haus der Kulturen der Welt unüberhörbar schlagen ließ. Im Auktionsaal, wo von Künstlern aller Couleur gefertigte oder gestiftete Bilder zugunsten von Kindern in Tschernobyl sowie der Kinder-Aids-Hilfe versteigert wurden, lag nur ein Hauch von Charity in der Luft. Das Publikum zeigte sich eher gelangweilt und offenbarte niedere Geschäftsinstinkte statt der reinen Wohltätigkeit. Selbst die Veranstalter wurden manchmal knickrig: Beim 2.000-Mark-Gebot verfärbte sich sogar das kantenlose Gesicht des Filmemachers Wenders plötzlich watteweiß. 2.000 Mark für vier „Radierungen nach Sehempfindungen während einer Augenkrankheit“ von Markus Oehlen waren ihm dann doch um 200 Mark zuviel.
Im Katalog zur Wohltätigkeitsauktion „Künstler für Kinder“ war der selbsternannte Robin Hood der Film-Bilder mutiger gewesen und hatte potentielle Käufer mit tränentreibender Lyrik eingestimmt: „Bilder von Kindern, geplagten Kindern, geschundenen Kindern, hungernden Kindern, gequälten...“ Mit 135 Kunstwerken sollte diesen geholfen werden. Vor der Versteigerung wurden sie eine Woche lang in der Akademie Galerie im Marstall ausgestellt. Rund 380.000 Mark ließen die 200 Gäste für einen Marcel Duchamp, einen Joseph Beuys, eine Rebecca Horn, einen Peter Gabriel oder einen echten Peter Falk insgesamt springen. Von letzterem stammt die Benefiz-Idee übrigens auch. Sie kam ihm, als er sich in den Drehpausen von „In weiter Ferne, so nah!“ die Zeit mit Kritzeleien vertrieb. Als Wenders seine Engel vom Himmel über Berlin zurückpfiff und das Team die Kamera wieder einpackte, wandte sich der notorisch Zerknautschte an Wenders und dessen Assistentin Dagmar Forelle: „Ich hab' da noch 'ne Frage.“ Mit Unterstützung des Beuys-Vertrauten Heiner Bastian konnte der Traum von „Charity statt Christie“ wahr werden.
Für Preise zwischen 700 und 2.700 Mark – doppelt so hoch wie die Wertschätzungen des Künstlers – kamen die Falk-Zeichnungen, eine kühne Mischung aus frühen Degas-Gemälden und späten Hanni-und-Nanni-Illustrationen, unter den Hammer des hinreißend engagierten Anwalts Peter Raue. „Ich kaufe auch ein Buch aus deinem Verlag“, ermunterte der Hammerschwinger einen Geschäftsmann, damit endlich einmal der von den Künstlern angesetzte Mindestpreis erzielt wurde. Doch die zahlungskräftigen Architekten, Professoren und Galeristen im Publikum zückten ihre Scheckkarten nur zögernd. Die mit 19.000 Mark höchstdotierte Melancholie „Dark Mood“ von Jan Voss wechselte für 5.000 Mark weniger als angenommen den Besitzer. Mit gewaltsam auseinandergezogenen Mundwinkeln versuchte Wenders, seine Enttäuschung wegzugrinsen.
Doch auch sein eigener Marktwert ließ sich nicht schönlächeln. Erst für 450 Mark Rabatt fand sich ein Käufer für Wenders „4teilige Figur“, ein jetzt noch 3.300 Mark teures, farbenfreudiges Produkt 23jähriger Arbeit. Bei dem Verkauf seiner Verse müßte der malende und reimende Filmemacher sicherlich mehr drauflegen. Birgit Glombitza
Heiner Bastian in Aktion Beide Fotos: Rolf Zöllner
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